HARNAS – ein afrikanischer Traum für freilebende Katzen und ATN-Studenten

harnas freilebende katzen

HARNAS – ein afrikanischer Traum für freilebende Katzen und ATN-Studenten – Imke Arracher

Die namibische Tierschutzorganisation Harnas bietet die Möglichkeit zur befristeten Mitarbeit in der Auffangstation und im angeschlossenen Schutzgebiet. Dort werden neben Wildtieren auch Hunde und Katzen betreut. Eine ganz besondere Möglichkeit, die gelernte Theorie in die Praxis umzusetzen, fand ATN-Studentin Imke Arracher und stellte sich der Herausforderung. Ein Erlebnisbericht der besonderen Art.

Auf ins Abenteuer – Auf nach Afrika

“Im Herbst 2017 stand das Glück auf meiner Seite – ansonsten wäre mir wohl nie ein Auslandaufenthalt auf einer Namibischen Tierschutzfarm in den Sinn gekommen. Nach siebzehnjähriger Tätigkeit als Personalerin stand eine Veränderung als Studentin der Tierpsychologie (Hund/Katze) bei der ATN an. In Zusammenhang mit eben diesem Studium gab es erste großartige Skripte im ConnectiBook, in denen Dozenten im Rahmen der Verhaltensforschung über Artenreichtum und einmalige Tiere in Verbindung mit diversen Auslandsaufenthalten berichteten. Wer weiß, ob ich ohne diese Dokumentationen jemals begonnen hätte von eigenen Erfahrungen im Umgang mit einzigartigen, atemberaubenden Tieren zu träumen.

Eine zusätzliche Inspiration war die WDR-Serie „Das Waisenhaus für wilde Tiere“, die in den Jahren 2013 und 2014 auf Harnas, einer Tierschutzfarm der Harnas Wildlife Foundation (HWF) in Namibia gedreht wurde. Im Juli 2019 begann mein größtes Abenteuer. Als Volontärin unterstützte ich für drei Wochen eben diese Farm im Rahmen des Programms „Go Wildlife“. Dazu gehörte die Rundumpflege wie Futterzubereitung, Fütterung, Gehegepflege, aber auch die Interaktion mit den Harnas-Schützlingen, die zu einem Großteil alte, verwaiste, missbrauchte und ehemals gefangen gehaltene Tiere sind. Dabei kam es mir sehr gelegen, dass die Pfleglinge nicht nur aus typisch in Afrika ansässigen Tieren wie Geparden, Löwen, Erdmännchen, verschiedenen Affenarten u.v.m. bestanden, sondern dass ich auch fortwährend mit den dort lebenden Hunden und Katzen in Kontakt kam. Für mein Studium war das eine ideale Voraussetzung. So lernte ich die Tiere in einem für mich außergewöhnlichen Umfeld kennen, da sie mit vielen andersartigen Tieren zusammenlebten.

Harnas Wildlife Foundation

„Harnas“ ist Afrikaans und bedeutet „Schutz“. Die Farm liegt etwa 300 km östlich von Namibias Hauptstadt Windhoek. Die heutige Harnas Wildlife Foundation (HWF) betreibt ein Tier-Waisenhaus und hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte, verwaiste, missbrauchte und gefangen gehaltene Haus- und Wildtiere aus Namibia, Botswana und den südlichen Ländern Afrikas aufzunehmen. Sind die Tiere fit genug, werden sie in die Freiheit oder in das Schutzgebiet „Lifeline“ umgesiedelt. Heute leben auf der Farm unter anderem Geparden, Löwen, Leoparden, Karakale, Erdmännchen, Mangusten, verschiedene Affenarten, afrikanische Wildhunde, Springböcke, Strauße, Stachelschweine, Krokodile. Link zu Harnas: www.harnas.at

auch haustiere finden aufnahme und neue aufgaben

Auch Haustiere finden Aufnahme – und neue Aufgaben (© Imke Arracher)

Aus theoretischen Skripten wurde Praxis

Die Arbeit mit den Tieren verhalf mir nicht nur bezüglich meiner Persönlichkeitsentwicklung, sondern besonders dabei meine Fachkenntnisse zu vertiefen. Harnas zählte zu dem Zeitpunkt insgesamt etwa sechzig Katzen. Diese Anzahl wurde mit dem hohen Schlangenaufkommen – hauptsächlich von Frühjahr bis Herbst – begründet, sodass die Katzen die Reptilien den Menschen gegenüber fernhielten. Entsprechend durfte ich die Individualität und vielfältigsten Charaktereigenschaften dieser eigenständigen Vierbeiner mit ihren völlig unterschiedlichen Bedürfnissen noch intensiver kennen und schätzen lernen.

Die Arbeit mit ihnen führte weiterhin dazu, ein Gefühl dafür zu entwickeln, sich mit fremden Tieren zu beschäftigen und langsam ihr Vertrauen zu gewinnen. So lernte ich, mich in Geduld zu üben. Die Tiere hatten aus unterschiedlichsten Gründen auf Harnas Zuflucht gefunden und dementsprechend verschiedene Leiden, sowie daraus resultierende Verhaltenseigenschaften. Durch die regelmäßige Betreuung konnte ich meine Beobachtungsgabe schärfen; aus meiner Sicht eine der Fähigkeiten, die in meinem zukünftigen Beruf als Tierpsychologin größte Relevanz haben wird.

Bis zu meinem Aufenthalt in Harnas bin ich jemand gewesen, der Tieren oftmals deren Selbstständigkeit aberkannte. Ich bot beispielsweise im gemeinsamen Spiel Lösungen an, ohne ihnen im Vorfeld die Gelegenheit zu eigenem Erkunden zu geben. Vor Ort betreute ich eine Katze, die aufgrund von Misshandlungen keinen Schwanz mehr und Hüftschäden hatte und daher Unterstützung in ihrer Hygiene benötigte. In Bewegung und Spiel hingegen war sie auf ihre Art und Weise recht agil, bestens in die Katzengesellschaft integriert und schien mit ihrem Leben gut zurecht zu kommen. Mir wurde bewusst, wie selbständig Katzen – trotz eventueller Besonderheiten – sind. Auch erkannte ich, dass sie mit körperlichen Einschränkungen, die wir Menschen als dramatisch und restriktiv wahrnehmen, in der Regel bestens zurechtkommen und eigene Lösungswege suchen und stets finden. In diesem Zusammenhang waren theoretische Skriptinhalte sowie diverse Tipps und Ideen aus ATN-ZoomMeetings in die Praxis umsetzbar. So war es mir etwa möglich, erste praktische Erfahrungen mit Targets zu sammeln.

Wieder daheim stellte ich grundsätzlich beim Lesen meiner Skripte bzw. Lernen der Inhalte fest, dass etwa Beschreibungen vieler tierischer Lebens- und Verhaltensweisen schneller plausibler waren (bzw. sind), da sie entsprechende Bilder vor meinem geistigen Auge hervorrufen. Egal ob Ethologie, Ontogenese, Verhaltensphysiologie oder -ökologie, egal ob Löwe, Affe, Erdmännchen und Co.; Vieles habe ich selbst erleben dürfen und somit einen Bezug dazu!

die katze blue eye wurde schwer misshandelt

Die Katze Blue Eye wurde schwer misshandelt (© Imke Arracher)

Zukunftsträume und ein großer Motivationsschub

Was hat mir Harnas für mein weiteres Studium und in Bezug auf meine spätere berufliche Laufbahn gebracht? Prinzipiell bin ich durch diesen Aufenthalt noch überzeugter davon, vor über einem Jahr den richtigen Weg gegangen zu sein. Obwohl mir das Studium bei der ATN vom ersten Tag an unheimlichen Spaß bereitet hat, konnte ich meinen individuellen Lernrhythmus bis zum heutigen Zeitpunkt immer noch nicht zu einhundert Prozent finden und muss vor allem das Lernen wieder lernen. Diese Tatsache stellte mich in den letzten Monaten immer wieder vor die Frage, ob es zu schaffen sei, die vielseitige und intensive Theorie der Skripte in einem mir erhofften Pensum aufzunehmen und zu verinnerlichen. Harnas hat mir zu einem unheimlichen Motivationsschub verholfen und mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und es schaffen werde.

Ebenfalls wurde mir durch diesen Aufenthalt eine eventuell zukünftige berufliche Perspektive aufgezeigt, an welche ich im Vorfeld in der Form noch nicht gedacht hatte: Tierpsychologin. Privatpersonen sowie diverse Institutionen in Belangen wie Verhaltensauffälligkeiten und -störungen von Tieren, Zusammenführungen, Haltungsoptimierung uvm. zu beraten und zu betreuen, ist in meinen Augen erstrebenswert und wird vermutlich einer meiner Aufgabenschwerpunkte werden. Warum aber nicht auch regelmäßig ins Ausland gehen, um dort (Tierschutz-)institutionen zu unterstützen, sich gegebenenfalls intensiv der (Verhaltens-)forschung zu widmen und damit weitreichende Praxiserfahrung sammeln und Forschungsberichte schreiben zu können?! Die Vielfältigkeit der Berufsmöglichkeiten als Tierpsychologin ufern ins Unermessliche und allein für diese Erkenntnis bin ich dankbar, Harnas erlebt zu haben.

Ich halte es für jeden Lernenden der Tierpsychologie oder Verhaltensberatung erstrebenswert, im Rahmen der Ausbildung auch einmal einen Auslandsaufenthalt wie Harnas zu absolvieren. Die Vorbereitungen für einen solchen Aufenthalt sind sicherlich nicht von heute auf morgen zu treffen, sollten aber niemanden abschrecken. Von der Vielfältigkeit der Projektmöglichkeiten abgesehen, sind im Vorfeld weitreichende Recherchen über entsprechende Länder, deren klimatische Bedingungen, allgemeine Gepflogenheiten uvm. notwendig. Die Formalitäten dauern eine gewisse Zeit, stellen aber aus meiner Sicht nicht die größte Hürde dar. Grundsätzlich sollte ein Auslandsaufenthalt mit der Bereitschaft zu Akzeptanz und Empathie angegangen werden, ansonsten kann es schnell nervenaufreibend und frustrierend werden. Besonders die Arbeit in Tierschutzprojekten verlangt viel von einem ab, betreut man nicht selten Tiere, die auf grausame Weise misshandelt wurden.

Link zur Tierpsychologie: www.atn-ag.at/tierpsychologie/tierpsychologie-ausbildung

Das Leben als Volontär

Dazu kommt, dass das Leben als Volontär einige Herausforderungen mit sich bringt. Ständig Menschen in seiner Nähe zu haben und körperlich anstrengende Arbeit zu leisten, sollte nicht unterschätzt werden. Auch beinhaltet ein solcher Aufenthalt üblicherweise keine Unterbringung in einem Luxushotel. Man muss sich die Frage stellen, ob man seinen eigenen Lebensstandard bis auf ein teilweise unvorstellbares Minimum herunterschrauben und dies über einen längeren Zeitraum aushalten kann. Wenn ja, kann ich eines versprechen: der hinzugewonnene Stolz macht einen unglaublich stark!

Auch wenn jeder Mensch die geschilderten Aspekte aus unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet – aus meiner Sicht wiegen diese einmaligen Erfahrungen, die atemberaubenden Erlebnisse sowie die Zusammenarbeit mit interessanten Menschen und außergewöhnlichen Tieren alle Unannehmlichkeiten um ein Vielfaches wieder auf. Zugegeben, in der Regel sind entsprechende Auslandsaufenthalte recht kostspielig. Dennoch ist das Geld sicherlich gut investiert. Und eines ist gewiss: Diese einzigartigen Erfahrungen werden jedem Menschen für immer in Erinnerung bleiben und ihn ein Leben lang begleiten!

Für meinem weiteren Lebens- und Berufsweg wünsche ich mir, noch ähnliche Tierschutzprojekte wie Harnas erleben zu dürfen. Dieser erste Auslandsaufenthalt wird jedoch stets etwas ganz Besonderes für mich bleiben. – Die Menschen und Tiere auf Harnas haben einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen!“

*Gender Equality

autorin imke arracher

Imke Arracher

Nach einem Diplomstudium der Pädagogik und Wirtschaftswissenschaft war Imke Arracher über sechzehn Jahre in verschiedenen Unternehmen bzw. diversen Funktionen im Bereich Human Resources tätig. Um ihre Liebe zu Tieren sowie ihr hohes Engagement im Tierschutz zu ihrem zukünftigen Beruf werden zu lassen, entschied sie sich 2017 für eine berufliche Neuorientierung. Im Oktober 2017 nahm sie an der ATN ein Studium der Tierpsychologie (Kombinationsstudium Hund und Katze) auf, mit dem Ziel, als Tierpsychologin in die Selbständigkeit zu gehen.

Ihre Interessen liegen dabei neben der Beratung und Betreuung privater Tierhalter oder Tierschutzorganisationen auch in der Projektarbeit im Rahmen der Evolutions- und Verhaltensforschung. Tiere wie Primaten, Wölfe und Geparden liegen ihr dabei besonders am Herzen. Erste Erfahrungen sammelte sie im Sommer 2017 als Volontärin auf der namibischen Tierschutzfarm „Harnas“. Dieser Aufenthalt weckte in ihr eine große Liebe zur Kultur bzw. den Menschen und vor allem den Tieren Afrikas, so dass weitere Auslandaufenthalte und damit die Unterstützung spezieller Tierschutzorganisationen geplant sind.

Frau Arracher ist freie Mitarbeiterin der ATN und an der Akademie in Projekte unterschiedlichster Art eingebunden.

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