Jungpferdeprojekt Irland für Schüler der ATM und der ATN

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Jungpferdeprojekt Irland für Schüler der ATM und der ATN

Grüne Weiden, landestypische Steinmauern, gastfreundliche Menschen – das ist Irland. Aber das ist nicht der Grund, warum wir hier sind. Es sind die Pferde, für die wir uns Urlaub genommen und die Reise organisiert haben. Wir, eine Gruppe von 12 Schülern der ATM und der ATN dürfen Annabelle Steiger begleiten. Sie unterstützt als Dozentin der ATN tatkräftig die Vorzeige-Organisation „Forgotten Horses Ireland“. Was genau steckt dahinter und was können wir als Schüler der ATM / ATN hier lernen?

In Irland werden viel zu viele Pferde gezüchtet. Können sie nicht mehr gehalten werden wegen Futterknappheit, Krankheit oder Geldmangel, werden sie oft einfach freigelassen. Eine besondere irlandspezifische Problematik stellt der Umgang des fahrenden Volk Irlands (die “Traveller”) mit Ihren Pferden dar, in deren Kulturkreis eine noch deutlich „robustere“ Handhabung der Pferde üblich ist. So lässt es sich erklären, dass in Irland regelmäßig Pferde sich selbst überlassen werden oder freilaufend auf der Straße anzutreffen sind. Verlassen, verloren, vergessen.

Die Organisation „Forgotten Horses Ireland“ nimmt die oft schwer misshandelten, verwahrlosten und abgemagerten Tiere bei sich auf, pflegt sie und setzt alles daran, ein neues Zuhause für diese Pferde und Ponys zu finden. Immer wieder werden Pferde auch von Schülern der ATM / ATN nach Deutschland geholt, so auch in diesem Jahr.

Unser Kurs „Jungpferdeprojekt Irland“ beginnt um eine Irlandverträgliche Zeit. Wir treffen uns um 9:30 und fahren gemeinsam zur Barn, der Basis der Organisation mit einer Halle, ein paar Boxen für die Erstankömmlinge und einem Roundpen. Grunderziehung und Höflichkeitstraining auf Basis der Choice Based Methode stehen für heute auf dem Plan. Bei diesem gewaltfreien Training entscheidet das Pferd über das Tempo, in dem es lernen kann, und inwieweit es mit dem Menschen kooperiert. Gerade für Tiere mit einer entsprechenden Vorgeschichte erlaubt diese Methode ein angst- und stressfreies Lernen. Natürlich mit intensiver und lobender Unterstützung des Trainers.

Diese freie Entscheidung ermöglicht es , ein bestimmtes, auf diese Weise erlerntes Verhaltensmuster zu festigen. Außerdem ist die Art des Lernens derart individuell auf das Tier angepasst, dass diese Methode für alle Belange des Pferdetrainings eingesetzt werden kann. Das Choice Based Training erfordert einen geschulten Blick des Trainers und ein schnelles, präzises Handeln. Nur so kann das Pferd das Lob der gewünschten Verhaltensweise genau zuordnen und schnell lernen. Gar nicht so einfach, aber bereits am ersten Tag freuen wir uns als Gruppe über ein Erfolgserlebnis. Innerhalb kurzer Zeit können wir allen Jungpferden in einer Stutenherde ein Halfter anlegen. Ein wichtiges Basistraining und eine notwendige Voraussetzung dafür, dass sie am nächsten Tag dem Hufschmied vorgestellt werden können.

Der zweite Tag steht ganz im Zeichen der Exterieur- und Interieur-Beurteilung von Pferden. In Begleitung von Dozentin Annabelle Steiger beschäftigen wir uns intensiv mit dem Ausdrucksverhalten und dem Individual- und Gruppenverhalten der Tiere – eine gute Möglichkeit, die Inhalte der Ethologie-Skripte und Vorlesungen praktisch zu üben und uns intensiv mit der Persönlichkeit und Befindlichkeit der einzelnen Ponys auseinanderzusetzen. Wir widmen uns den Besonderheiten im Körperbau und den individuellen Anlagen der Pferde. Hier sind ganz besonders die „Physios“ der ATM mit ihren Anatomiekenntnissen gefragt. Spannend ist das zum Beispiel bei einem der Mountain Ponys mit dem für diese Rasse typischen Körperbau und der besonderen Stellung der Gliedmaße, um freilebend in Irland ganz spezielle Aufgaben zu bewältigen.

Auf Basis dieser Informationen kann entschieden werden, welche Pferde ins Training genommen werden können, und welche Pferde noch verhaltens- oder physiotherapeutischen Maßnahmen benötigen. Dank der Dokumentation haben die Interessenten eine klarere Vorstellung über das Potenzial des Pferdes, seinen Charakter und auch über die Herausforderungen, die auf sie zukommen werden, wenn sie sich für ein Pferd entscheiden.

dozentin annabelle steiger und schuelerinnen

Dozentin Annabelle Steiger und die Schülerinnen der ATN und ATM (© ATN / ATM)

Insgesamt erwischen wir Mitte September eine „gute Zeit“. Es ist noch warm und wir haben für Irland tolle Wetterverhältnisse. Die Pferde, die jetzt hier sind, sind die, die das Schlimmste hinter sich haben und jetzt auf Vermittlung warten. Die meisten sind in einem relativ guten Zustand. Ab Ende September verschlimmert sich die Situation, es werden dann im Monat bis zu 100 Pferde erwartet, die auf der Straße aufgelesen oder beschlagnahmt werden. Diese werden dann auf die unterschiedlichen Organisationen verteilt.

Cilla zum Beispiel, eine junge Fuchsstute, ist in einem sehr guten Zustand. Im Januar dieses Jahres allerdings sah das anders aus. Das Fohlen kam völlig geschwächt mit vielfältigen Verletzungen in die Barn. Trotz der Tierarzt-Prognose einer nur 10%-igen Überlebenschance kämpften alle Helfer um ihr Überleben, auch nachts. Sie hat es geschafft, die kleine Kämpfernatur. Jetzt muss sie die nächste schwere Hürde nehmen, denn Füchse und Braune werden nur sehr schwer vermittelt. Wer ein Pferd in Irland sucht, der will in der Regel einen Tinker oder Schecken.

Am dritten und letzten Tag arbeitet die Gruppe der ATM und ATN-Schüler so gut Hand in Hand, dass es jetzt erst eigentlich richtig losgehen könnte. Wir schulen unsere Beobachtungsgabe erneut an einer Ammenstute mit ihrem Fohlen, die auf einer der riesengroßen Weiden steht. Annabelle Steiger demonstriert, wie man erstes Vertrauen gewinnt, ohne die Pferde zu bedrängen oder zu verängstigen. Das Fohlen nähert sich von selbst in fast greifbare Nähe, ein großer Schritt für das junge Hengstfohlen, das bereits in den ersten Lebenstagen seine Mutter verloren hat.

Aber wir lernen nicht nur viel über die Pferde in der Herde, sondern auch einiges über die Kommunikation mit den Kunden. Drei Pferde haben bereits einen neuen Besitzer, stehen aber noch auf den Weiden. Die Besitzer wollen wissen, wie es um ihre Pferde und Ponys steht. Sie fürchten schlechte Nachrichten und sind schon im Vorfeld nervös. Bei den Anamnesebesprechungen ist es wichtig, nichts „zu schönen“, denn die Klienten sollen ein realistisches Bild ihres Pferdes und der Aufgaben erhalten, die ihnen gemeinsam bevorstehen. Andererseits ist es unsere Aufgabe, die Klienten zu motivieren, ihnen Wege und Lösungsansätze aufzuzeigen und so dem Mensch-Tier-Team einen für beide Seiten guten und erfolgsversprechenden Start in ihre gemeinsame Zukunft zu ermöglichen.

Am Ende sind wir alle ein wenig traurig, dass dieser so lehrreiche Kurs so schnell zu Ende ist. Wir haben unglaublich viel gelernt über die Ethologie des Pferdes, über allgemeines und spezielles Pferdeverhalten, gewaltfreies Pferdetraining, die Beurteilung von Körperbau und über die kompetente Einschätzung eines Pferdes für seine Entwicklung und seines künftigen Einsatzgebietes. Was wir aber auch gesehen haben, ist ein noch ganz ursprüngliches und natürliches Pferdeverhalten und eine Herdendynamik, wie sie bei vielen „zivilisierten“ Pferden und auf viel weniger Platz bei uns nicht mehr so ausgeprägt zu finden ist.

Slán! Das heißt „Auf Wiedersehen“ auf gälisch und wird sicher von einigen Schüler wortwörtlich genommen, die sicher nicht zum letzten Mal bei den Forgotten Horses waren.

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ATN Akademie

ATN AG ist die im deutschsprachigen Raum führende Schule für Tierpsychologie, Verhaltenstherapie und Hundetraining. Sie ist die erste Schule, die reguläre Lehrgänge zu diesen Themen angeboten hat und ein anspruchsvolles Ausbildungskonzept besitzt.

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