Mensch und Hund – eine ganz spezielle Beziehung

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Mensch und Hund – eine ganz spezielle Beziehung – DoraZett – stock.adobe.com

Fragt man Hundeliebhaber, erhält man meist ähnliche Antworten: „Natürlich besteht zwischen mir und meinem Hund eine tiefe, enge Beziehung.“ Was der Vierbeiner dazu sagen würde, blieb uns bisher verborgen. Seit einigen Jahren ist diese sehr spannende Frage nun auch zu einem echten Forschungsschwerpunkt geworden, sodass erste Antworten zum «Beziehungsempfinden» der Hunde dargelegt werden können.

Emotionen werden sowohl bei uns Menschen als auch bei Tieren durch Hormone beeinflusst. Deren Vorhandensein bei Hunden lässt Rückschlüsse auf eine Gefühlswelt zu, die bisher nur in den Köpfen begeisterter Hundehalter existierte: Eine Bindung des Tieres, die weit über das Streben nach menschlicher Fürsorge hinausgeht.

Wir lieben unsere Hunde, das ist klar. Doch wie tief ist die Bindung zwischen Hund und Mensch? Immer mehr Studien beschäftigen sich mit dieser Frage. Einfach ist das nicht, schließlich kann man die Vierbeiner – im Gegensatz zu den Haltern – nicht befragen.

Es ist jedoch möglich, mittels eines Blut- oder Speicheltests zu bestimmen, welche Hormone der Hund ausschüttet und so Vermutungen über seinen emotionalen Status anzustellen. Hormone sind Botenstoffe, die viele verschiedene Körperfunktionen regulieren. Sie haben aber auch einen direkten Einfluss auf unsere Gefühlswelt. Werden bestimmte Hormone ausgeschüttet (wie Dopamin oder Serotonin), steigt beispielsweise unsere Stimmung. Bei der Bindung zwischen zwei Lebewesen spielt vor allem ein Hormon eine wichtige Rolle: Oxytocin (griechisch: leicht gebärend), auch «Kuschelhormon» oder «Bindungshormon» genannt, welches in den 1960er Jahren im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang entdeckt wurde.

Es wird im Hypothalamus gebildet, einem Bereich des Gehirns, der alle wichtigen Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Sexualverhalten und Nahrungsaufnahme steuert. Während der Geburt wird Oxytocin in den Blutkreislauf ausgeschüttet und fördert Wehen sowie den Milcheintritt. Doch nicht nur bei der Geburt, auch danach kommt Oxytocin zum Einsatz: Es ruft mütterliches Verhalten hervor und stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind. Dies konnte sogar an Ratten gezeigt werden: Weibliche, nicht-begattete Ratten, die Oxytocin erhielten, begannen mit dem Nestbau und kümmerten sich um fremde Jungtiere.

Oxytocin – das Kuschelhormon

Auch zwischen Erwachsenen wirkt Oxytocin bindend: es wird vermehrt beim Orgasmus ausgeschüttet und sorgt so für eine Bindung zwischen den Partnern. Mit dem Wissen, dass viele Hormone bei Tieren ebenso vorkommen wie beim Menschen und offenbar auch gleich wirken, stellten Forscher sich die Frage, ob Oxytocin auch bei der Bindung zwischen Mensch und Hund eine Rolle spielt.

Linda Handlin und Kollegen (2015) bewerteten die Beziehung von zehn Halterinnen zu ihren Labrador Retrievern anhand einer Skala (Dog Owner Relationship Scale, MDORS) und entnahmen anschließend Blutproben bei Mensch und Tier. Sie stellten fest, dass Halterinnen, die ihre Hunde häufig küssten, erhöhte Oxytocin-Werte aufwiesen. Dies galt jedoch auch für die Hunde – bei ihnen waren die Oxytocin-Werte gleichermaßen erhöht.

Odendaal und Meintjes (2003) stellten fest, dass bei beiden nach körperlichem Kontakt und Zuwendung nicht nur vermehrt Oxytocin, sondern auch Endorphine und Dopamine («Glückshormone») ausgeschüttet wurden. Nebenbei sank auch noch der Blutdruck bei Mensch und Hund.

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Körperlichen Kontakt und Zuwendung fördern die Ausschüttung von „Glückshormonen“(Foto: Patricia Lösche)

Die Sparsamkeit der Evolution

Nagasawa und Kollegen (2009) konnten zeigen, dass nur der Blick des eigenen Hundes ausreicht, um die Oxytocin-Konzentration im Urin des  Halters zu steigern. Hunde sind sehr gut darin, visuelle Hinweise von ihren Haltern wahrzunehmen, zum Beispiel, wenn es darum geht, verstecktes Spielzeug oder Futter zu finden. Auch hier scheint Oxytocin eine Rolle zu spielen. Hunde, denen mittels eines Nasensprays Oxytocin verabreicht wurde, konnten den Hinweisen ihres Halters deutlich besser folgen und fanden das versteckte Objekt schneller, als Hunde, die eine Placebolösung ohne das Hormon erhielten (Oliva et al., 2015).

Doch wie kommt es, dass zwei verschiedene Arten gemeinsam einen Mechanismus nutzen, der normalerweise einer Eltern-Kind-Beziehung oder engen sozialen Partnerschaft innerhalb einer Art vorbehalten ist? «Warum fühlen wir echte Freundschaft, Liebe und Verbundenheit … zu Hunden?» Die Antwort auf diese Frage sehen MacLean und Hare (2015) in der Sparsamkeit der Evolution: Oft werden Mechanismen, die sich bewährt haben, für einen neuen Zweck „recycelt“.

Aus evolutionsbiologischer Sicht war es für Hunde sinnvoll, Verhaltensweisen zu zeigen, die die Aufmerksamkeit der Menschen erregten, um so ihre Fürsorge auf sich zu ziehen. Vor allem die Kommunikation der Hunde veränderte sich und passte sich an den Menschen an. Bellen kam in freier Wildbahn nicht so ausgeprägt vor, wie wir es von unseren Haushunden kennen. Erst durch das Zusammenleben mit dem Menschen entwickelte sich das Bellen als Kommunikationsmittel.

Ebenso lernten die Hunde, dass Menschen direkten Blickkontakt nicht als Drohgeste verwenden und begannen, den Blickkontakt zu Menschen zu suchen. Durch diese Anpassungen konnte eine Beziehung zwischen Menschen und Hunden entstehen und den Hunden gelang es sogar, bei Menschen die gleiche Reaktion auszulösen, die ursprünglich dazu da war, die Bindung zwischen Mutter und Kind zu stärken: Die Ausschüttung von Oxytocin. Kürzlich konnten bildgebende Studien zeigen, dass im Gehirn von Müttern Areale für Emotionen, Belohnung und Zugehörigkeit gleichermaßen aktiviert werden, wenn ihnen Bilder von ihren Kindern oder ihren Hunden gezeigt werden.

blickkontakt als kommunikationsmittel

Blickkontakt als Kommunikationsmittel (© everydoghasastory – stock.adobe.com)

Die heilsame Wirkung der Mensch-Hund-Beziehung

MacLean und Hare sprechen einen weiteren wichtigen Aspekt der speziellen Beziehung zwischen Mensch und Hund an: die heilsame Wirkung von Hunden auf Menschen, die beispielsweise bei sogenannten „Emotional Support Dogs“ zum Tragen kommt. Diese Hunde unterstützen Menschen im Alltag dabei, belastende Situationen zu meistern. Auch hier ist es nicht unwahrscheinlich, dass die durch die Interaktion mit dem Hund ausgelöste Ausschüttung des «Kuschelhormons» eine Rolle spielt.

Die Beziehung zwischen Mensch und Hund hat sich über Jahrtausende entwickelt und geht inzwischen weit über eine reine Abhängigkeit hinaus. Genießen Sie es also, wenn Ihnen Ihr Hund tief in die Augen schaut!

Quellen:
Feddersen-Petersen, Dorit Urd: Hundepsychologie. 5. Auflage. Kosmos. (2014): 99.
Handlin, Linda, et al. «Associations between the psychological characteristics of the human–dog relationship and oxytocin and cortisol levels.» Anthrozoös 25.2 (2012): 215-228.
MacLean, Evan L., and Brian Hare. «Dogs hijack the human bonding pathway.» Science 348.6232 (2015): 280-281.
Nagasawa, Miho, et al. «Dog’s gaze at its owner increases owner’s urinary oxytocin during social interaction.» Hormones and Behavior 55.3 (2009): 434-441.
Odendaal, Johannes SJ, and Roy Alec Meintjes. «Neurophysiological correlates of affiliative behaviour between humans and dogs.» The Veterinary Journal 165.3 (2003): 296-301.
Oliva, J. L., et al. «Oxytocin enhances the appropriate use of human social cues by the domestic dog (Canis familiaris) in an object choice task.» Animal cognition 18.3 (2015): 767-775
Shen, Helen. «The Hard Science of Oxytocin.» Nature 522.7557 (2015): 410.

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autorin dr miriam paulisch

Dr. Miriam Paulisch

Dr. Miriam Paulisch ist Neurobiologin und Tierpsychologin für Hund und Pferd (ATN). Sie interessiert sich besonders für die neurobiologischen Hintergründe tierischen Verhaltens. Seit 2017 ist sie als Autorin für diverse ATN-Lehrskripten tätig und betreut als Tutorin Schülerinnen und Schüler verschiedener Lehrgänge der ATN und ATM. Ihr Ziel ist es, komplexe biologische Themen verständlich zu vermitteln und ein Augenmerk darauf zu legen, welche Rolle die biologischen Voraussetzungen eines Tieres für die Behandlung oder das Training spielen. Miriam Paulisch lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der Schweiz.

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