Tasthaare beim Hund, das unterschätzte Sinnesorgan 

Tasthaare beim Hund
Tasthaare beim Hund, das unterschätzte Sinnesorgan ©Susanne Nicolin/Pixabay

Tasthaare (Vibrissen) werden umgangssprachlich oft als Barthaare bezeichnet und mit menschlichen Barthaaren gleichgesetzt. Bei der Schur mancher Hunderassen werden sie als Teil der „Frisur“ sogar einfach abrasiert, was man mit Barthaaren problemlos machen könnte. Aber Hundevibrissen sind keine Barthaare, sondern ein hochsensibles Tastorgan. Für den Hund sind sie so wichtig wie für andere Säugetiere. Sie abzuschneiden, kommt der zeitweisen Amputation eines Sinnesorgans gleich. Zu diesem Schluss kommen Dr. Dorothea Döring et al. in einer Übersichtarbeit vorhandener Literatur zum Thema.

Malinois Detective bei der Arbeit, hochmotiviert als Mantrailer. Nur wenige Millimeter über dem Boden nimmt seine Nase Witterung auf. Dann prescht er durch das dichte Unterholz vor ihm. Das Gesicht der Hundeführerin ist nach kurzer Zeit voll blutender kleiner Schrammen, Spuren zurückschnellender Zweige, die auch ihre schützend vorgehaltene Hand nicht ganz verhindern kann. Doch Detective zieht unbeirrt vorwärts, immer wieder die Nase kurz zum Boden senkend verfolgt er die Spur des Flüchtenden, und je frischer die Spur, desto schneller wird er. Plötzlich … Stopp: Die Geschichte ist erfunden. Aber die Situation ist real.

Wann haben Sie zuletzt darüber nachgedacht, warum sich Ihr Hund nur extrem selten im Gesicht verletzt? Obwohl er Kopf voran und die Nase oft nur Millimeter über dem Boden die Welt erkundet? Egal, wie uneben der Untergrund, wie dicht das Unterholz und in welchem Tempo er unterwegs ist. Wir schützen unser Gesicht durch vorgehaltene Hände und biegen Zweige beiseite. Hunde können das nicht. Sie müssten es mit der Schnauze machen, ihrem Greiforgan. Aber die wird beim Erkunden der Hundewelt anderweitig gebraucht.

Tasthaare – Antennen mit Schutzfunktion

Tatsächlich wundert sich wohl kaum ein Hundehalter darüber, wie das seinem Hund gelingt, ohne Hände, die seine Augen und den empfindlichen Nasenspiegel bei Bedarf schützen könnten. Auch die Wissenschaft fragt sich das nur sehr selten. Und so sind die Tasthaare des Hundes erstaunlich unerforscht – von wenigen Arbeiten abgesehen. Die kräftigen Einzelhaare im Bereich von Schnauze, Backen und Augen sind einfach da. Oder auch nicht, wenn sie abrasiert wurden. Oder wenn es sich um einen Nackthund handelt, dem sie aufgrund des Gendefekts, der für die Haarlosigkeit verantwortlich ist, ebenfalls fehlen können. Sind sie wirklich unwichtig? Nein, dafür spricht nichts, und das hat Konsequenzen.

Hund im Wald
Tasthaare sorgen für Abstand beim Schnüffeln dicht am Boden und schützen dadurch vor Verletzungen ©Patricia Lösche

Sehen wir sie uns näher an. Die Tasthaare (Vibrissen/Pili tactiles/Pili sinuosi) im Gesicht des Hundes arbeiten wie hochsensible Antennen, die ihn zuverlässig und rechtzeitig vor Verletzungsquellen warnen, so dass er ihnen ausweichen kann. Ein Sinnesorgan, das uns Menschen fehlt. Alles spricht dafür, dass die Tasthaare beim Hund in ihrer Funktion den Schnurrhaaren der Katzen ebenbürtig sind. Sie sind weitgehend baugleich mit denen der Hunde.

Tasthaare und Körperhaare: Das unterscheidet sie

Tasthaare unterscheiden sich in ihrem Aufbau von der restlichen Körperbehaarung. Sie sind dicker, länger und steifer und deshalb leicht als solche erkennbar. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Haut. Jedes Tasthaar ist darin mit einem speziellen Haarfollikel (Haarbalg, Haarwurzel) verankert.

Anders als bei den Haaren des Fells wird der Haarbalg der Vibrissen umgeben von einer gut durchbluteten Kapsel (dem Blutsinus) und von einem Netz aus Nerven, die frei in diesem Blutsinus enden. Diese Nerven reagieren sehr empfindlich auf Berührung und Vibrationen. Ihre Aufgabe ist es, solche mechanischen Reize in Nervenimpulse zu übersetzen und zur Auswertung an das Gehirn weiterzuleiten, damit der Hund richtig reagieren kann. Das erfolgt mit großer Geschwindigkeit. 

Tasthaare im Bereich der Schnauze sind so wichtig, dass jedes in einem eigenen kleinen Areal des somatosensorischen Kortex repräsentiert wird. Das wurde für verschiedene Tierarten nachgewiesen. Schickt eine der Vibrissen ein Signal an das Gehirn, dann ist klar, von welchem Tasthaar das Signal kommt. So wie wir blind unterscheiden können, ob unser Mittelfinger oder der kleine Finger berührt wurde. Salopp ausgedrückt: Jedes Tasthaar ist dem Gehirn persönlich bekannt. Speziell für den Hund wurde das zwar nicht untersucht. Aber nichts spricht dafür, dass es beim Hund anders ist als bei den Tieren, bei denen es nachgewiesen wurde. 

Nice to Know: Somatosensorischer Kortex

Der somatosensorischen Kortex ist ein Areal des Gehirns, genauer: der Großhirnrinde. Hier werden Reize verarbeitet, die über den Tastsinn an das Gehirn übermittelt werden (haptische Reize).

Je nach Bedarf können die sehr beweglichen Tasthaare unterschiedlich ausgerichtet werden. Verantwortlich dafür sind Muskeln, die in ihrer Struktur der Skelettmuskulatur gleichen (quergestreifte Muskulatur) und am Blutsinus ansetzen. Auch Körperhaare haben eine gewisse Beweglichkeit. Sie dient vor allem der Thermoregulation und der Kommunikation. Bei den Körperhaaren ist jedoch nicht die quergestreifte Muskulatur für die Beweglichkeit verantwortlich, sondern glatte Muskulatur, wie sie auch die Hohlorgane auskleidet (Darm und Blutgefäße zum Beispiel), und die im Gegensatz zur quergestreiften Muskulatur nicht willentlich vom Tier gesteuert werden kann. 

Anders als der Blutsinus haben die Vibrissen selbst keine Nerven. Sie abzuschneiden verursacht beim Hund deswegen keine direkten Schmerzen. Allerdings kommt es bei einer Verkürzung zu einer Veränderung der Biegsamkeit und durch die veränderte Hebelwirkung zu anderen Druckverhältnissen im Blutsinus. Dadurch verändert sich die Art, wie der Reiz übermittelt wird. Außerdem ist anzunehmen, dass die Kalkulation von Abständen dadurch beeinträchtigt werden kann.

Tasthaare beim Hundewelpen
Tasthaare sind die ersten Haare beim Embryo und beeinflussen möglicherweise nachgeburtlich die Gehirnentwicklung © AOMSIN/Pixabay

Entwicklung und Wachstum der Vibrissen

Tasthaare sind die Pioniere des Haarwuchses beim Embryo. Sie sind bereits vorhanden, bevor den Embryonen das erste Fell zu wachsen beginnt. In den Tagen nach der Geburt scheint die Reizung der Tasthaare eine wichtige Rolle für die Entwicklung des somatosensorischen Kortex zu spielen, was an Mäusen nachgewiesen wurde. 

Anders als das Fell unterliegen Vibrissen nicht dem saisonalen Fellwechsel. Sie werden einem eigenen Rhythmus folgend regelmäßig durch ein an gleicher Stelle nachwachsendes Tasthaar ersetzt, ohne dass es während des Austausches zu einem Funktionsausfall kommt: Das alte Haar fällt erst aus, wenn das neue bereits zum Teil nachgewachsen ist. Manchmal kann man in der Übergangsphase beobachten, wie zwei Tasthaare aus einer Wurzel wachsen.

Die Funktionen

TastorganOrientierung im Raum bei schlechter Sicht und Dunkelheit
Betasten der Nahrung, da der Bereich unter der Schnauze nicht einsehbar ist für den Hund Nicht auszuschließen ist, dass sie auch beim Packen von Beute, insbesondere bei schlechter Sicht, eine wichtige Rolle spielenOberflächendifferenzierung
Hilfe beim Schwimmen für die richtige Kopfhaltung
SchutzfunktionBerühren der Vibrissen über den Augen löst den Lidschlussreflex aus. Auch für die Vibrissen im oberen Schnauzenbereich wird das beschrieben
Sehbehinderte Hunde können sich ohne Tasthaare schlechter orientieren
Schutz vor Verletzung bei Durchstreifen von Gestrüpp
Bei der Spurverfolgung helfen Vibrissen dem Hund, Verletzungen durch Wahrung eines notwendigen Abstands zum Boden zu vermeiden
Unterstützung des GeruchssinnsAnhand der Reizung der Tasthaare können Hunde die Windrichtung feststellen und damit die Richtung einer Geruchswahrnehmung
Vermutlich unterstützen Tasthaare den Hund dabei, Alter und Intensität einer Geruchspur einzuschätzen, indem er über sie den Abstand zur Geruchsquelle einschätzt
KommunikationTasthaare tragen zur Mimik bei. Bei Erregung werden sie vorgestreckt, bei Entspannung und Unterwerfung angelegt
(Tabelle nach Döring et al., 2020)

Tasthaare sind auch beim Hund voll funktionsfähig

Tasthaare gleichen sich bei den unterschiedlichen Säugetieren nicht wie ein Ei dem anderen. Oder vielleicht doch, denn kein Ei gleicht dem anderen, auch wenn die Unterschiede gering, Aussehen und Inhalt sehr ähnlich sind. Tasthaare ähneln sich über Speziesgrenzen hinweg stark in ihrem Aufbau wie in ihren Aufgaben. Wie bei anderen Tieren sind sie bei unseren Haushunden Teil eines spezialisierten Sinnesorgans, keine bedeutungslosen Relikte wölfischer Vergangenheit. Berühren Sie einmal ganz leicht die Tasthaare am Maul Ihres Hundes, während er schläft. Er wird davon aufwachen, weil die in der Haut gelegenen Nerven am Ende der Vibrissen schon kaum merkliche Berührungen, sogar Windzug sofort wahrnehmen. Eine leichte Berührung der Tasthaare über den Augen, und der Hund blinzelt, um seine Augen zu schützen.

Hund bettelt
Erwartungsspannung: Vibrissen sind nach vorn ausgerichtet ©Patricia Lösche

“Die Autoren veterinärmedizinischer Lehrbücher der Anatomie und Physiologie der Haustiere sind sich einig, dass es sich beim Tasthaar und Follikel-Sinus-Komplex der Haustiere – einschließlich des Haushundes – um ein hochsensibles mechanorezeptorisches Sinnesorgan handelt. Die Autoren (…) konnten keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf finden, dass dieses Organ beim Haushund unterentwickelt, zurückgebildet oder unbedeutend wäre. Es besteht somit aus wissenschaftlicher Sicht Einigkeit darüber, dass es sich beim Tasthaar und Follikel-Sinus-Komplex auch beim Haushund um ein intaktes, funktionstaugliches Sinnesorgan handelt“, stellen Döring et al. (2020) als Ergebnis ihrer Übersichtsarbeit fest. Mechanorezeptorisch bedeutet, dass mechanische Reize wahrgenommen werden.

Entfernen von Tasthaaren – Frisur mit Tierschutzrelevanz? 

Auch wenn nur wenig gesicherte Daten zu den Tasthaaren von Hunden vorhanden sind, spricht nichts dafür, dass sie beim Hund rudimentär entwickelt und in ihrer Funktion eingeschränkt sind. Eine solche Annahme wird weder durch das spezifische, noch durch das allgemeine Wissen zur Anatomie und Physiologie von Tasthaaren unterstützt. Wenn es berechtigte Zweifel an einer Funktionslosigkeit gibt, dann muss zugunsten des Tierwohls von Funktionsfähigkeit ausgegangen werden. Und dann gilt für sie, was für Sinnesorgane allgemein gilt: Sie dürfen weder ganz, noch teilweise entfernt werden, auch nicht vorübergehend. Für die Katze gibt es dazu bereits ein Gerichtsurteil im Zusammenhang mit der Zucht von Nacktkatzen.

Rudolf Winkelmayer und Regina Binder kommen nach Auswertung verfügbarer Datenlage 2019 in ihrem Gutachten für die Tierombutsstelle Wien zu dem Schluss: „Zusammenfassend wird daher die Auffassung vertreten, dass das Abschneiden von Vibrissen bei Hunden aus tierschutzrechtlicher Sicht verboten und aus veterinärfachlicher, biologischer und tierethischer Sicht abzulehnen ist.“ 

Hund schwimmt
Gut zu sehen ist, dass die Tasthaare auf die Wasseroberfläche ausgerichtet sind
©Patricia Lösche

Auch MLaw Caroline Mulle, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin der Schweizer Stiftung für das Tier im Recht (TIR) kommt für die Schweiz zu diesem Schluss: 

«Leider ist das Schneiden der Vibrissen nur bei Pferden im Gesetz in Art. 21 lit. e der Tierschutzverordnung (TSchV) ausdrücklich als Verbot genannt. Jedoch heisst es nicht, dass etwas erlaubt ist, nur weil es nicht ausdrücklich verboten ist. Der Art. 4 des Tierschutzgesetzes (TSchG) besagt, dass niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen oder seine Würde anderweitig verletzen darf. Da davon ausgegangen werden muss, dass die Tasthaare auch für Hunde elementar sind, benötigt es für das Entfernen einen Rechtfertigungsgrund. Rein ästhetische Gründe reichen hierfür aus unserer Sicht nicht aus. Auch wenn also kein ausdrückliches gesetzliches Verbot besteht, kann das Entfernen von Tasthaaren bei Hunden durchaus strafrechtlich relevant sein.»

Funktionslosigkeit der Hunde-Vibrissen nicht nachgewiesen

Sie sprechen sich damit gegen ein früheres Gutachten des Biologen Guido Dehnhardt von 2001 aus, nach dem Vibrissen bei Hunden, insbesondere beim Pudel, keine Bedeutung haben, weil sie schmerzlos entfernt werden können und nach Entfernung keine Verhaltensveränderung zu bemerken sei. Er stützt die Aussage auf die Beobachtung an zwei Pudeln. Dehnhardt zufolge

  • werden die Tasthaare beim Pudel durch das dichte und lockige Fell im Schnauzenbereich „mechanosensorisch maskiert“ [Anm.d.Autorin: gemeint ist, dass das umliegende dichte und lange Fell eine Funktion als Tastorgan ausschließt]
  • ist es nicht wahrscheinlich, dass die Tasthaare des Pudels „als Konsequenz dieses Zuchtergebnisses überhaupt noch eine biologische Funktion erfüllen können“

Das ist aus der heutigen Perspektive in jeder Beziehung kritisch zu sehen. Die Tasthaare selbst verfügen nicht über Nerven. Deshalb ist das Schneiden an sich nicht schmerzhaft. Es geht bei der Kritik an der Entfernung der Vibrissen aber nicht um den Vorgang des Schneidens, sondern um den Ausfall des Sinnesorgans.

Tasthaare sind auch beim Pudel berührungsempfindlich, wie Döring in einem Video zeigen kann (Verlinkung im nächsten Absatz). Mit Pudeln, deren Tasthaare aufgrund von Zucht funktionslos sind, dürfte nicht mehr gezüchtet werden (siehe unten). Das Inkaufnehmen von Funktionsausfällen an Sinnesorganen durch Zucht ist nach Paragraph 11b des Tierschutzgesetzes verboten. Das schließt auch die potenzielle Möglichkeit eines solchen Defekts ein. Der bezaubernden Hunderasse ist schon allein deshalb zu wünschen, dass die Vibrissen funktionstüchtig sind. Dann aber dürfen sie nicht abgeschnitten werden.

Die Funktion der Vibrissen beim Pudel könne, heißt es außerdem bei Dehnhardt, nicht ohne entsprechenden wissenschaftlichen Nachweis mit ihrer Funktion bei der Katze gleichgesetzt werden. Das ist richtig. Aber in Ermangelung einer tragfähigen Datenlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie funktionell nicht ganz oder teilweise mit ihnen gleichgesetzt werden können. Einen validen Nachweis für die Funktionslosigkeit bringt weder Dehnhardt, noch kann er aus der vorhandenen Datenlage herausgelesen werden. Döring et al. demonstrierten vielmehr anhand von Videoaufnahmen, dass auch Pudel selbst auf leichte Berührungen der Vibrissen deutlich reagieren.

Trotzdem werden Tasthaare bei Pudeln und anderen „bärtigen“ Hunderassen für ein „rassegemäßes“ oder vermeintlich gepflegteres Aussehen immer wieder ganz oder teilweise abgeschnitten. Vor allem dann, wenn die Hunde auf Ausstellungen vorgeführt werden sollen. De facto handelt es sich dabei aber um eine zwar vorübergehende, aber dennoch unzulässige Amputation von Sinnesorganen. Allerdings wird dieser Anlass für VDH-Veranstaltungen künftig wegfallen. 

Geschorener Pudel ohne Tasthaare
Pudelschur mit abgeschnittenen Tasthaaren ©Jörg Vieli/Pixabay

VDH: Ausstellungsverbot für Hunde mit beschnittenen Tasthaaren

In seinem Rundschreiben vom 13. September 2022 hat der VDH jetzt seine Vorgaben zur Entfernung von Tasthaaren zumindest für das Ausstellungswesen revidiert. Als Reaktion auf die neue Tierschutzhundeverordnung dürfen künftig Hunde mit entfernten oder eingekürzten Tasthaaren nicht mehr an VDH-Veranstaltungen teilnehmen. In dem Rundschreiben dazu heißt es wörtlich:

„Vibrissen (Sinushaare, Tasthaare) gehören zu den haarähnlichen Tastorganen, die eine sensorische Funktion und Bedeutung haben. 

  • Gemäß § 6 TierSchG ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verboten. Dieses Verbot bezieht sich in bestimmten Fällen auch auf nachwachsende Körperteile. 
  • Gemäß § 10 S. 1 Nr. 1 TierSchHuV ist es verboten, Hunde auszustellen, bei denen Körperteile, insbesondere Ohren oder Rute, tierschutzwidrig vollständig oder teilweise amputiert worden sind. 

Die Entfernung oder Kürzung von Vibrissen an Hunden fällt unter diese Bestimmungen und ist daher tierschutzwidrig und daher untersagt. 

Der VDH-Vorstand hat in seiner Sitzung am 7. September 2022 zur Klarstellung entschieden: 

Bei Veranstaltungen des VDH (Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Prüfungen) dürfen Hunde mit entfernten und gekürzten Vibrissen nicht teilnehmen.“

Ein begrüßenswerter Schritt, vielleicht sogar der wichtigste, weil dadurch das teilweise und vollständige Kürzen der Tasthaare für Ausstellungen wegfällt.

Im Widerspruch dazu steht allerdings der im Internet abrufbare VDH Ratgeber „Der Körper des Hundes. Sinne und Nervensystem“. Dort heißt es: “Über die Bedeutung der Vibrissen (Tast- oder Barthaare) der Hunde ist fast nichts bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass sie keinen großen Einfluss auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Hunde haben.“ 

Fazit

Nach derzeitigem Wissensstand ist die Bewertung von Vibrissen beim Hund als funktionell unbedeutend nicht zulässig. Vielmehr handelt es sich um vollwertige Sinnesorgane, die weder ganz noch teilweise beschnitten werden dürfen. Zucht mit Inkaufnahme oder Ziel ihres Wegfalls oder ihrer Funktionslosigkeit, tatsächlich oder potenziell, sind ebenfalls nicht zulässig. Hundetrainer und Hundeverhaltensberater können hier wichtige Aufklärungsarbeit leisten.

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Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen.

Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin zahlreicher Lehrskripte mit einem breiten Fächerkanon und betreut als ATN-Tutorin Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen und verhaltenstherapeutischen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Pferde-, Hunde- und Katzenhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

Quellenauswahl

Dorothea Döring, Angela Bartels, Michael H. Erhard: Bedeutung der Tasthaare beim Haushund und Problematik des Abschneidens aus Sicht des Tierschutzes (erschienen im Thieme-Verlag in Tierärztliche Praxis Ausgabe K-Kleintiere Heimtiere 2020; 48: 186–195)

PD Dr. med. vet. Dorothea Döring: Die Vibrissen des Hundes – ein wichtiges Sinnesorgan (Supplement „Tierisch dabei“; in: Der praktische Tierarzt Oktober 2022; S. 30-33)

Rudolf Winkelmayer/Regina Binder: Gutachten über das Abschneiden von Vibrissen bei Hunden (17.12.2019)

Dehnhardt G. Gutachten zur Bedeutung des Scherens der Vibrissen beim Pudel. (Bochum; 2001) 

H.Bragulla, K.-D. Budras, Chr. Mülling, S. Reese, HE. König: Anatomie der Haussäugetiere Allgemeine Körperdecke (Integumentum commune) in: H.E. König, H.G. Liebich, Hrsg., 5. Auflage, Schattauer 2005, S. 605-653) 

VDH Ratgeber: Der Körper des Hundes (undatiert); Zugriff am 27.10.2022 

VDH Rundschreiben 26/2022 Vibrissenvom 13.9.2022; Zugriff am 27.10.2022

Carmen Epp, Christine Künzli: Umstrittene Rasur (Tierwelt Nr.26/2020, 25.06.2020, S.25)                         

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