Ein Elektrohalsband scheint eine echte Alternative zu sein, wenn es darum geht, den Hund zu kontrollieren oder zu erziehen. Ist es das wirklich? Stromhalsbänder sind wirksam, keine Frage. Aber was bewirken sie, und: Rechtfertigt die Wirksamkeit ihren Einsatz? Anders gefragt: Warum gelten sie als tierschutzwidrig? Und sind verboten, obwohl sie zu kaufen sind? Alles Wissenswerte zum Thema elektrische Erziehungshilfen erfahren Sie in diesem Artikel.
Es ist oft schiere Verzweiflung, die Hundehalter zum Elektrohalsband greifen lässt. Ihr Hund ist passionierter Jäger. Verfolgt Fahrradfahrer, Wild, Kinder. Hundespaziergänge werden zur Zitterpartie oder sogar gefährlich, wenn ein Hund den Gehorsam verweigert oder sein Jagdinstinkt nicht zu kontrollieren ist. Und dann ist er da, der Traum vom Knopfdruck, der den Hund zur Raison bringt. Ein Klick und schon gehorcht der Hund. Er will dem Reh hinterher? Klick, und schon verliert er die Lust. Er bellt und bellt? Ein Klick und zack, der Hund ist still. Was spricht also gegen die schnelle „Soforthilfe“? Spricht überhaupt etwas dagegen? Um das zu beantworten sehen wir uns zunächst an, wie Hundeerziehung funktioniert und betrachten danach vor diesem Hintergrund die Wirkung von Stromhalsbändern.
Modernes Training von Hunden: Belohnung statt Strafe
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Hundeverhalten zu beeinflussen: Strafe und Belohnung. Die Trainingserfolge beruhen auf unterschiedlichen Mechanismen. Belohnung lehrt, dass ein Verhalten positive Folgen hat. Das belohnte Verhalten wird deshalb häufiger gezeigt. Richtiges Timing bringt recht sicher Trainingserfolge, falsches Timing verzögert schlimmstenfalls den Erfolg, richtet aber keinen Schaden an, der Hund bleibt guter Dinge, und das Vertrauen zum Menschen wird nicht beschädigt.
Hundetraining mit positiver Verstärkung, wie es auch in der Trainerausbildung der ATN gelehrt wird (Lob und Leckerli, Aufmerksamkeit oder auch Lieblingsbeschäftigungen, Spiel und Auszeiten), ist selbst für Laien unproblematisch möglich. Allenfalls belohnt man versehentlich unerwünschtes Verhalten. Beispielsweise Bellen, indem der Hund dann besonders viel Aufmerksamkeit bekommt. Aber mit gezieltem Training lässt sich das wieder korrigieren.
Positive Erziehungsmethoden bestätigen einen Hund, wenn er erwünschtes Verhalten zeigt. Der Hund lernt dadurch, das gezeigte Verhalten als lohnend zu bewerten und wird motiviert, es häufiger zu zeigen. Anders ausgedrückt: Er lernt, etwas zu tun. Bei Bestrafung lernt er dagegen etwas zu vermeiden.
Nice to know
Im Gehirn werden positive Verstärkung, Belohnung und Strafe sehr unterschiedlich verarbeitet. Motivation durch Belohnung erzeugt Wohlbefinden und Freude. Daran sind insbesondere die Hormone Dopamin, Serotonin und Oxytocin beteiligt. Vermeidung ist gekoppelt mit Angst. Sie triggert die Stressachsen des Körpers. Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin sind damit verbunden.
Strafe in der Hundeerziehung
Bestrafung wirkt angstauslösend und ist meist schmerzhaft. Um Schmerz und Angst zu entgehen, vermeiden Tiere (auch wir Menschen) Verhalten, das Angst auslöst oder Schmerz zur Folge hat. Das Verhalten wird vom Hund seltener gezeigt. Ist es das Ergebnis unserer Bestrafung, werten wir das als Erziehungserfolg. Der Hund hat das Verhalten aber garnicht verlernt, er unterdrückt es nur. Ist der Anreiz für ein Verhalten in einer Situation größer als die Angst vor den Folgen, wird das Verhalten wieder gezeigt werden. Und ist dann häufig nur durch eine noch größere Strafe kontrollierbar oder schlimmer noch: Es entzieht sich zunehmend der Kontrolle.
Erziehung und Training mit Strafreizen ist grundsätzlich problematisch. Soll Strafe ein Verhalten verhindern, muss sie unmittelbar in dem Moment (innerhalb von 0,5 sek) erfolgen, in dem das unerwünschte Verhalten gezeigt wird (TVT Merkblatt Nr. 51). Anders kann ein Hund Verhalten und Strafe nicht miteinander verknüpfen. Bei zeitverzögerter Strafe verbindet der Hund möglicherweise etwas anderes damit, als beabsichtigt. Etwa ein vorbeilaufendes Kind, einen Radfahrer oder anderen Hund, einen Geruch, ein Geräusch, Autos, Situationen. Die dann künftig zu Angstauslösern werden können.
Strafe als negative Folge von Verhalten wird im Gehirn sehr rasch abgespeichert und falsch gesetzte Strafreize, insbesondere stärkerer Intensität oder unbekannter Herkunft (anonyme, d.h. nicht direkt durch den Menschen erfolgende Bestrafung durch ein Elektroschock-Halsband gehört dazu), führen besonders leicht zu fatalen Fehlverknüpfungen. Sie können die Ursache sein für unvermittelt auftretende Aggressionen und Verhaltensstörungen. Wer wiederholt das korrekte Timing verpasst, und sei es nur um Sekunden, macht seinen Hund mit großer Chance früher oder später zu einem Problemhund. Das gilt grundsätzlich für willkürliche Bestrafung und Gewaltanwendung.
Heikles Strafmaß
Das Strafmaß muss außerdem sehr genau auf den individuellen Hund und das Verhalten abgestimmt sein. Ist es zu schwach, bleibt es wirkungslos, ist es zu stark, führt es zu erheblichem Stress, Schmerz und Angst, mit den möglichen negativen Folgen wie Aggressionsverhalten oder Angststörung. Was zu stark und was zu schwach ist, bestimmt dabei der Hund, wir können nur vermuten. Die Einschätzung wird durch Variationen in der Tagesform erschwert.
Selbst ein angemessenes Strafmaß, das unerwünschtes Verhalten wirkungsvoll unterdrückt, lehrt den Hund nur negative Folgen und belastet außerdem das Vertrauen in den Menschen. Alternative Verhaltensoptionen werden nicht angeboten. Es ist aber der Rückgriff auf positive Verhaltensalternativen, der am Ende bewirkt, dass der Hund ein Verhalten wirkungsvoll „verlernt“ und durch ein erwünschteres „ersetzt“. Wenn Gehorsam auf den Rückruf eine sichere Belohnung verspricht, verliert das Weglaufen am Ende seinen Reiz.
Selbstbelohnendes Verhalten
Selbstbelohnend ist ein Verhalten immer dann, wenn der Hund durch das Verhalten ein (lebenswichtiges) Bedürfnis befriedigen kann. Dazu zählt unter anderem Jagdverhalten und alles, was dazugehört (wie Nasenarbeit, Hetzen, Buddeln). Der biologische Sinn: Jagen ist auch für Raubtiere gefährlich, Jagderfolg bleibt aber in vielen Fällen aus. Wäre nicht das Jagen selbst, sondern nur das Töten der Beute die Belohnung, würde häufiger Misserfolg bei hohem Verletzungsrisiko den Jäger irgendwann von der Jagd abhalten. Die Lust am Jagen ist jedoch unabhängig vom eigentlichen Jagderfolg, also selbstbelohnend.
Timing und Maß bei der Arbeit mit Strafreizen brauchen die volle Konzentration der Hundeführer in jedem Moment, wenn sie keine negativen Folgen haben sollen. Sobald Strafe mal ja, mal nein erfolgt, mal schwach, mal stark, oder für den Hund nicht zuzuordnen ist, wird der Hund bei ausreichender Motivation für ein Verhalten immer wieder testen, ob und wie es im konkreten Fall geahndet wird. Insbesondere dann, wenn es um selbstbelohnendes Verhalten wie Jagen oder Futterdiebstahl geht.
Soll zum Beispiel Jagdlust mittels Strafe wirkungsvoll kontrolliert werden, müsste ein Strafreiz in dem Moment erfolgen, in dem der Hund zur Verfolgung ansetzt. Dazu müssten wir ihn sehr, sehr konzentriert überwachen, potenzielle Beute früher erkennen als er. Immer. Läuft er bereits, wird das Laufen bestraft, nicht das Ansetzen zur Jagd.
Hundeerziehung unter Strom
Wer schon einmal Bekanntschaft mit einem Stromzaun gemacht hat, weiß: Der Schlag tut weh. Er wird künftig höllisch aufpassen, dass ihm das nicht wieder passiert. Allerdings wissen wir, was den Schlag verursacht hat und warum. Erhält ein Hund einen Schlag, weil sein Mensch ganz woanders einen Knopf gedrückt hat, weiß er erstens nicht, woher der Schlag kommt, und zweitens kann er sich angesichts diverser Umweltreize nicht sicher sein, warum. Das wird als anonyme Bestrafung bezeichnet. Anonyme Bestrafung ist besonders angstauslösend, weil sie nicht vorhersehbar ist.
So wirkt ein Stromhalsband
Ein Elektrohalsband (auch Elektroschock-Halsband, Telereizhalsband, Elektroimpulshalsband, Stromhalsband, Ferntrainer, Teletact, e-collar und weitere) bestehen aus zwei Teilen: einem Handsender und einem Empfänger am Halsband. Sie wirken über einen elektrischen Spannungsimpuls (Stromschlag), der nach Auslösung über die Fernbedienung an den Hals abgegeben wird. Die Reichweite liegt bei bis zu drei Kilometern. Damit kann auch ein Hund außer Sichtweite „geschockt“ werden. Mit einer Taktung von bis zu elf Mal pro Sekunde. Die Stärke des Stromschlages ist regelbar.
Stromführende Erziehungshilfen gehören zu den aversiven Erziehungsmaßnahmen. Aversiv bedeutet unangenehm für den Hund, also Strafe. Die Stromschläge, die der Hund erhält, sind schmerzhaft. Schmerz bedeutet Gefährdung. Die Vermeidung von Schmerz ist eine wichtige, biologisch begründete Überlebensstrategie und wirkt deshalb als Lernbeschleuniger. Darum funktionieren stromführende Erziehungshilfen scheinbar so schnell. Sie bedienen damit unseren Wunsch nach einer (für uns) schnellen und einfachen Lösung und führen damit manche Hundehalter in Versuchung: Knopfdruck – zack – gehorsam.
Risiken eines falsch angewandten Elektrohalsbandes
Im Internet werden stromführende Halsbänder angeboten als schonendes, aber wirksames Mittel zur Hundeerziehung. Wobei „schonend“ sich allenfalls auf unsere Nerven beziehen kann. Für den Hund ist ein Elektrohalsband alles andere als schonend, sonst wäre es unwirksam. Leicht anwendbar ist es, nicht nur von professionellen Kynologen, sondern auch von Anfängern. Hinweise auf das Anwendungsverbot sucht man beispielsweise bei einem Spezialanbieter für Elektrohalsbänder vergebens. Die falsche Anwendung elektrischer Strafreize kann dem Hund aber erheblichen Schaden zufügen. Risiken, die von Befürwortern bagatellisiert werden, auf die Tierärzte, Wissenschaftler und Kynologen aber immer wieder hinweisen.
Abgesehen davon, dass Schmerz im Hundetraining aus den oben genannten Gründen generell sehr kritisch zu sehen ist, gibt es erhebliche Risiken speziell bei der Anwendung eines Elektrohalsbandes:
Technische Gründe | Physiologische und Psychologische Gründe |
Die Geräte sind störanfällig und können zu Fehlauslösungen, Dauerauslösungen und zu hohen Stromreizen führen. Es besteht die Gefahr unangemessener und falscher Bestrafungen, bei denen der Strafreiz zu schwach oder zu stark ist oder zum falschen Zeitpunkt gesetzt wird. | Ein starker Stromschlag ist sehr schmerzhaft. Das kann bis hin zu Verbrennungen der Haut gehen. Schmerzempfindung ist für jeden Hund individuell, durchaus mit Tagesschwankungen und situativen Unterschieden. Die Regulierung des richtigen Strafmaßes ist deshalb schwierig. Der Schmerz kann vom Hund als groß empfunden werden, obwohl er keine starke Reaktion zeigt. Das erschwert die Einschätzung der Schmerzhaftigkeit des Reizes für den Hund. |
Feuchtigkeit kann die Reizwirkung verändern und verstärken. | Selbstbelohnendes Verhalten wie Jagen ist durch Strafe schwer zu kontrollieren. Entsprechend hoch müsste ein Elektroschock eingestellt werden. |
Der Schlag kann aufgrund der hohen Reichweite der Sender auch dann erfolgen, wenn der Hund nicht in Sichtweite ist, und erfolgt dann unkontrolliert. Auch die Auswirkungen können nicht oder nur schwer kontrolliert werden. | Stromreize sind für den Hund anonyme Bestrafungen, die per se angstauslösend sind. Bei einem schmerzhaften Stromimpuls kann es aufgrund der Anonymität zu umgerichteter Aggression gegen zufällig anwesende Tiere und Menschen kommen. Ängstliche Hunde können in Panik versetzt und unkontrollierbar werden. |
Unachtsamer Umgang kann auch bei korrektem Verhalten des Hundes Bestrafungen auslösen. | Es kann leicht zu Fehlverknüpfungen kommen und in der Folge zu Aggression gegen Menschen und Tiere oder zu Angst vor Geräuschen, Gerüchen und anderen Auslösern. |
Risiko erlernte Hilflosigkeit
Passen Verhalten und Strafreiz wiederholt nicht zusammen oder sind die gesetzten elektrischen Strafimpulse aus Hundeperspektive nicht zuzuordnen, sehr unangenehm oder schmerzaft und willkürlich, kann der Hund die Folgen seines Verhaltens nicht abschätzen. Er kann sich auch nicht erschließen, durch welches Verhalten er den Stromstoß vermeiden kann und entsprechend kann er es auch nicht anpassen. Mit anderen Worten: Ihm fehlt jede Kontrolle. Das kann bei entsprechend veranlagten Hunden zu erlernter Hilflosigkeit führen. Für den Hund ist das mit einer erheblichen Einschränkung seines Wohlbefindens und seines Selbstvertrauens, bei stärkeren Elektroschocks zudem mit erheblichen Schmerzen verbunden.
Rechtslage zur Verwendung von Stromhalsbändern
Stromhalsbänder sind aus den genannten Gründen eine schnelle, für den Menschen komfortable Lösung zur Erziehung von Hunden. Hohe Verkaufszahlen für Elektrohalsbänder lassen vermuten, dass viele dieser Versuchung erliegen. Wer von einem Elektrohalsband zur Lösung seiner Hunde-Probleme träumt, sollte seine Träume aber besser nicht wahr werden lassen. Sonst haben beide ein Problem. Der Hund mit dem Schockhalsband, der Mensch mit dem Gesetz.
Selbstwirksamkeit: Kann der Hund sein Verhalten korrigieren, weil er weiß, welches Verhalten von ihm erwartet wird, dann kann er über die Verhaltensänderung die Reaktion seines Menschen aktiv beeinflussen, ist ihm also nicht hilflos ausgeliefert. Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf Ereignisse nennt man Selbstwirksamkeit. Korrekte Erziehung und korrektes Training versetzen den Hund in die Lage, auf einen bestimmten Befehl hin ein konkretes Verhalten zu zeigen. Klare Wenn-dann-Regeln ermöglichen dem Hund dadurch ein gewisses Maß an Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist die Voraussetzung für eine verbesserte Resilienz (Stresstoleranz).
Erlernte Hilflosigkeit: Erlernte Hilflosigkeit ist das Gegenteil von Selbstwirksamkeit. Bei Willkür oder unangemessener Methodik kann ein Hund nicht mit angemessener Verhaltensanpassung reagieren. Er hat keinen Einfluss auf das, was passiert, und ist dem Geschehen ausgeliefert. Manche Hunde reagieren darauf aggressiv. Andere geben auf und verfallen in eine erlernte Hilflosigkeit, eine ernsthafte psychische Störung. Sie geht einher mit Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt und mit Apathie. Beim Menschen ist das nicht anders. Empfundene Willkür, Bedrohung und unangemessene Maßnahmen erzeugen eine generalisierte Hilflosigkeit, denn egal, wie man sich verhält, die Folgen sind nicht durch eigenes Verhalten zu beeinflussen. Das entspricht einem maximalen Kontrollverlust.
Die Anwendung von Elektroreiz-Halsbändern ist sowohl in Deutschland (seit 2006), als auch in Österreich (seit 2005) und in der Schweiz (seit 2008) verboten. In Wales gilt das Verbot seit 2010 und in Frankreich seit 2023. In England trat das Verbot stromführender Erziehungshilfen am 1. Februar 2024 in Kraft. Diese Gesetze gelten auch für Durchreisende und Urlauber.
Für Deutschland gilt: Das Umlegen des Elektrohalsbandes und Drücken des Auslösers sind nach §18 Abs.1 Nr. 4, Abs. 2 TierSchG eine Ordnungswidrigkeit. Im Einzelfall könnte sie „mit einer Geldbuße von bis zu 25000 Euro bestraft werden“ (Granzin, undatiert). Jäger, immer noch eine der größten Anwendergruppe, können sogar den Jagdschein verlieren, weil es als „mangelnde Zuverlässigkeit wegen „gröblichen“ Verstoßes gegen das TierSchG“ gewertet werden kann (ebd.).
Wer ganz genau wissen will, was er da benutzt, kann auch im Waffengesetz nachlesen. Dort heißt es in der Anlage 1 zu §1 Abs. 4 (Begriffsbestimmungen, Unterabschnitt 2: Tragbare Gegenstände): „Gegenstände, die bestimmungsgemäß unter Ausnutzung einer anderen als mechanischen Energie Tieren Schmerzen beibringen (z. B. Elektroimpulsgeräte), (…) sind in Deutschland Waffen nach § 1, Abs. 4 Waffengesetz.“ Starkes Geschütz – hätten Sie das gedacht?Das Elektrohalsband ist eine Waffe!
Gesetzliche Vorschriften
Deutschland: Tierschutzgesetz, §3 Nr. 11 TierSchG: Es ist verboten, ein Gerät zu verwenden, das durch direkte Stromeinwirkung das artgemäße Verhalten eines Tieres, insbesondere seine Bewegung, erheblich einschränkt oder es zur Bewegung zwingt und dem Tier dadurch nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist.“ (Entsprechende bundes- oder landesrechtliche Vorschriften gibt es nicht.)
Schweiz: Tierschutzverordnung, Art 76 (1):Hilfsmittel dürfen nicht derart verwendet werden, dass dem Tier Verletzungen oder erhebliche. Schmerzen zugefügt werden oder dass es stark gereizt oder in Angst versetzt wird. (2) Die Verwendung von Geräten, die elektrisieren, für den Hund sehr unangenehme akustische Signale aussenden oder mittels chemischer Stoffe wirken, ist verboten
Österreich: Bundestierschutzgesetz §38: Wer … einem Tier … Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt… ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15000 Euro zu bestrafen. In den Bestimmungen über die tierschutzkonforme Ausbildung von Hunden (vom 6.3.2024) heißt es zudem in 1.(3): „Bei der Ausbildung des Hundes ist darauf zu achten, dass sie auf den Grundlagen der lerntheoretischen Erkenntnisse aufbaut und Methoden der positiven Motivation der Vorzug vor aversiven Methoden gegeben wird.“ Und in den Erläuterungen dazu: Der Hund solle mittels positiver Verstärkung das gewünschte Verhalten zeigen. Verboten sei ferner der Einsatz „(…) von Geräten, die darauf abzielen, das Tier zu dressieren oder sein Verhalten durch Härte oder mittels Strafreizen zu beeinflussen(…)“.
Kaufen erlaubt, Anwendung verboten
Wir haben die paradoxe Situation, dass der Einsatz stromführender Halsbänder (ebenso Anti-Bell-Halsbänder und unsichtbare Zäune) in Deutschland zwar verboten ist, nicht aber der Kauf (in Österreich auch Verkauf und in den Verkehr bringen).
Bereits am 23.3.2006 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil letztinstanzlich, dass Elektroreizgeräte, die für den Hund Leiden oder Schmerzen verursachen können, nach geltendem Tierschutzrecht nicht eingesetzt werden dürfen. Und das Freiburger Verwaltungsgericht entschied am 15.3.2007, dass auch Niedrigstrom-Impulsgeräte beim Hund nicht unerhebliche Leiden und psychische Schäden zur Folge haben können und daher verboten sind. VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) und IRJGV (Internationaler Rasse-, Jagd-, Gebrauchshundverband) haben sie seit Langem von ihren Plätzen verbannt.
Entscheidend ist nicht, ob sie im Einzelfall angewandt dem Hund tatsächlich schaden. Allein die Tatsache, dass man dem Hund damit durch unsachgemäßen Einsatz und Fehlfunktion Schmerzen zufügen KÖNNTE reicht aus. Stromführende Geräte, dazu zählen entsprechende Halsbänder, dürfen nicht am Hund sein. Das gilt für Erziehungshilfen ebenso wie für Ausbruchsicherungen. Ohne Ausnahme. Weil wirkungsvolle andere Möglichkeiten zur Verhaltensbeeinflussung vorhanden und zumutbar sind: Ein tier(schutz)gerechtes Hundetraining und bei Problemhunden eine verhaltenstherapeutische Intervention.
Elektrohalsband-Verbot ist keine Schikane
Ärgerlich? Alles Schikane? Manche sehen das noch immer so. Vor allem Jäger stehen im Verdacht, sich gerne einmal über das Verbot hinwegzusetzen. Eine Ausnahme gilt für sie aber nicht. Oft werden Elektroreizgeräte heimlich benutzt oder durch spezielle Sichtschutzhalsbänder getarnt, die einige Hersteller anbieten. Es ist keine juristische Schikane, sondern wachsendes Wissen über den Hund, das zu einem Verbot geführt hat. Würden Sie Ihrem Kind, wenn es sich nicht so verhält, wie Sie es gerne hätten, der Einfachheit halber einen Elektroschock versetzen?
Sicher nicht. Funktionieren würde es, rangiert aber aus gutem Grund unter Körperverletzung. Und wir haben gesehen, dass die Geräte dazu als Waffe eingestuft werden. Elektroschocks sind für Hunde nicht weniger schmerzhaft oder unangenehm. Unter anderem die Studie von Schalke et al. (2007) konnte die negativen Folgen insbesondere von falschem Timing in der Anwendung von Elektroschocks bei Hunden nachweisen. Auch die Beeinträchtigung des Wohlbefindens (Stichnoth, 2002) und dass über Strafreize erzogene Hunde aggressiver sind, ist nachgewiesen (unter anderem Olsson et al., 2017). Im Zusammenhang mit den Tierschutzgesetzen ist daher ein Verbot zwangsläufig und richtig, die Gerichtsbeschlüsse sind nicht anfechtbar..
Fazit
Stromführende Erziehungshilfen und Ausbruchsicherungen, also Elektrohalsbänder und andere über Elektroschocks wirkende Maßnahmen, setzen schmerzhafte Strafreize in Form von Elektroschocks, die besonders risikobehaftet sind. Für den Hund bedeuten sie insbesondere bei laienhafter Verwendung und Fehlfunktion eine erhebliche Einschränkung des Wohlbefindens. Andere, nicht schmerzhafte Erziehungsmethoden stehen als Alternative zur Verfügung. Ein vernünftiger Grund für die Anwendung der Geräte, der laut Tierschutzgesetz gegeben sein muss, wenn eine Maßnahme für das Tier mit Schmerz verbunden ist, ist deswegen nicht gegeben. Die Geräte können (unter anderem in Deutschland) zwar gekauft werden, dürfen aber weder am Hund befestigt sein, noch am Hund nicht angewendet werden. Sie sind durch die Tierschutzgesetze in vielen Ländern verboten, auch dann, wenn sie vom Handel angeboten werden. Ein Verstoß gegen das Verbot kann empfindliche Geldstrafen nach sich ziehen. Das gilt bereits für das Anlegen solcher Hilfsmittel.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen.
Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin zahlreicher Lehrskripte mit einem breiten Fächerkanon und betreut als ATN-Tutorin Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen und verhaltenstherapeutischen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Pferde-, Hunde- und Katzenhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).
Quellenauswahl:
J.Stichnoth (2002): Stresserscheinungen beim praxisähnlichen Einsatz von elektrischen Erziehungshalsbändern beim Hund (Dissertation; Tierärztliche Hochschule Hannover)
E. Schalke et al. (2007): Clinical sings caused by the use of electric training collars on dogs in everyday live situations (Applied Animal Behaviour Science 105/4, S. 369-380)
M.E. Seligman et al. (1975): Learned helplessness in the rat (Journal of Comparative Psychology 88 (2); S. 534-541)
Olsson et al. (2017): Do aversive-based training methods actually compromise dog welfare?: A literature review (Applied Animal Behaviour Science, Vol. 196, S. 1-12)
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT), Merkblätter 51 und 194
Waffengesetz Deutschland Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 Begriffsbestimmungen
Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV)
Erläuterungen zur Verordnung zu Ausbildung und Verhaltenstraining von Hunden