Das Leaky Gut-Syndrom ist die Folge einer defekten Schutzbarriere des Darms. Weil sie nicht mehr richtig funktioniert, gelangen neben Nährstoffen auch Schadstoffe durch die undicht gewordene Darmwand in den Körper. Die Gründe dafür sind vielfältig und die Folgen reichen von Durchfall, Nährstoffmangel oder Immunschwäche bis hin zu Allergien, Autoimmunerkrankungen und Tumoren. Vieles im Zusammenhang mit dem Leaky Gut Syndrom ist bisher ungeklärt und es besteht noch viel Forschungsbedarf.
Management-Maßnahmen und medizinische Interventionen können einem Leaky Gut vorbeugen oder den Heilungsprozess unterstützen. Neben der gegebenenfalls notwendigen symptombezogenen Schulmedizin bietet die Naturheilkunde viele Möglichkeiten, die Darmgesundheit wieder herzustellen. Im besten Fall arbeiten Tierheilpraktiker, Tierarzt, Ernährungsberater und – sofern nötig – Verhaltenstherapeut Hand in Hand.
Flohsamenschalen, Huminsäuren, Toxinbinder
Äußert sich ein Leaky Gut mit Durchfall, verbessern pflanzliche Fasern wie Flohsamenschalen oder Huminsäuren die Kotkonsistenz. Konzentrierte Huminsäuren mit sehr hohem Reinheitsgrad sind antientzündlich, modulieren Darmflora und Immunfunktion. Sie legen sich wie ein feiner, schützender Film über die Mucosa. Dadurch wirken sie Entzündungen entgegen und schützen die Darmschleimhaut. Die Durchlässigkeit des Darms (Darmpermeabilität) wird deutlich verringert und die Zonulinwerte, ein wichtiger diagnostischer Indikator, werden gesenkt. Gleichzeitig wird die Histamintoleranz erhöht. Heilerde, Zeolith, Bentonit-Montmorillonit sind stabilisierende Toxinbinder und bieten sich als solche vor allem zu Beginn der Therapie an. Huminsäuren entfalten ihre Wirkung im Vergleich sogar bis in die tieferen Schichten der Mucosa und binden Toxine auf biochemischem Weg.
Ernährung spielt bei der Behandlung des Leaky Gut Syndroms eine wichtige Rolle (© A_Different_Perspective – Pixabay)
Präbiotika beim Leaky Gut
Die geschädigte Schleimhautbarriere beim Leaky Gut geht meist mit einer aus dem Gleichgewicht geratenen Darmflora (Dysbiose) einher. Probiotika mit hohen Keimzahlen können das positiv beeinflussen. Darmbakterien wie Lactobacillus plantarum, Lactobacillus rhamnosus oder Lactobacillus salivarius mildern Entzündungsreaktionen der Darmschleimhaut und verringern deren Durchlässigkeit.
Humanmedizinische Präparate mit Stoffwechselprodukten von Escherischia coli (E. coli) fördern die Heilung der Darmschleimhaut und wirken antientzündlich. Inaktivierte Enterokokken und E. coli reduzieren die Allergiebereitschaft. Aktive Enterokokken regulieren die Bildung bestimmter Antikörper (sekretorisches Immunglobulin A/sIgA) auf den Schleimhäuten. Lebende E. coli fördern das Immunsystem. Für Hunde und Katzen sind Präparate mit Lactobacillus acidophilus und Enterococcus faecium auf dem Markt. Das Darmbakterium Bacillus subtilis ist neu für Hunde zugelassen und fördert das Wachstum von Lactobazillen.
Präbiotika wie Fructo-Oligosaccharide (FOS), Mannan-Oligosaccharide (MOS) oder Inulin verbessern, individuell dosiert, die Darmgesundheit besonders bei Hunden. Menschen (und Hunde) verfügen über bestimmte Darmbakterien, die Buttersäure herstellen. Sie ernährt die Darmschleimhaut und wirkt Entzündungen entgegen, darüber hinaus stärkt sie die Darmbarriere. Die Bakterien können durch resistente Stärke angefüttert werden, die unter anderem in Kartoffeln enthalten ist (gekocht und abgekühlt). Für den Menschen gibt es entsprechende Präparate auf dem Markt.
Weitere Möglichkeiten
Autovakzine sind aus dem Kot des Patienten hergestellte Eigenimpfstoffe, die ebenfalls eine Abdichtung der Schleimhautbarriere erreichen können. Im Labor hergestellt, werden sie wie eine Art „Schluckimpfstoff“ über das Maul gegeben. Auf diese Weise soll das Immunsystem zur Bildung spezifischer Antikörper gegen einen bestimmten Keim angeregt werden. Zum Ausgleich einer möglicherweise unzureichenden Versorgung mit Nährstoffen wie Aminosäuren (Bausteine von Proteinen) und Zink sind in der Humanmedizin pflanzliche Heilmittel (Phytotherapeutika) oder orthomolekularmedizinische Ansätze (Orthomolekularmedizin) wie die Supplementierung der Nährstoffe gebräuchlich. Futtermittel-Unverträglichkeiten und Allergien werden durch eine Futteranpassung (z.B. Pseudogetreide ohne Gluten) gelindert. Bei Pankreasinsuffizienz sind Fütterung und Enzymsubstitution entsprechend anzupassen.
Chronischer Stress ist ein möglicher Auslöser für das Leaky Gut Syndrom (© Patricia Lösche)
Lässt sich die Entstehung eines Leaky Gut Syndroms vermeiden?
Die Vorbeugung hat große Bedeutung. Tiergerechte Haltung bei naturnaher Fütterung sind einfache und doch wirkungsvolle präventive Maßnahmen. Nassfutter unterstützt die Darmflora in ihrer Diversität und stärkt die Kolonisationsresistenz. Bei Medikamentengaben sollte überprüft werden, ob die Darmschleimhäute durch die Medikamente geschädigt werden können. Die gleichzeitige Gabe von probiotischen Bakterien zu Antibiotika schützt die Darmwand. Dazu ein Beispiel: Die Refluxkrankheit (Refluxoesophagitis) des Hundes wird mit Protonenpumpenhemmern behandelt, die an der Entstehung eines Leaky Gut beteiligt sein können. Werden pflanzliche Schleimstoffdrogen wie Ulmenrinde, Leinsamen und andere gegeben, können Protonenpumpenhemmer oft reduziert werden. Dies muss in Abstimmung mit dem Haustierarzt erfolgen.
Sind organische Ursachen für die Refluxkrankheit ausgeschlossen, ist oft Stress die Ursache. Stress begünstigt grundsätzlich die Entstehung eines Leaky Gut. Eine individuelle Stressreduktion (Haltung und Rasse berücksichtigen) beugt der Entstehung eines Leaky Gut Syndroms vor und hilft zusätzlich, die Darmschleimhäute wieder zu stabilisieren, wenn es bereits dazu gekommen ist.
Quellen:
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Machat, N. Das Mikrobiom im Tier – eine unbekannte Welt. Vet-Journal 4 /2020
Pilla R., Suchodolski J. S. The Role of the Canine Gut Microbiome and Metabolome in Health and Gastrointestinal Disease. Front Vet Sci, 2020; 6: 498
Rüffer A. Ein Leck im Darm entdecken. Zeitschr. f. Komplementärmed. 3/2018, 46-48
Rüffer, A et al. Ist der Darm noch dicht? Das Leaky-gut-Syndrom. Zeitschr. f. Komplementärmed. 4/2015, 10-13
Schmidt, R. Die mukosale Grenzfläche – Schutz und Stabilisierung durch Tight junctions, OM & Ernährung 2009, Nr. 128
Weiterführende Literatur:
Beckmann, G, Rüffer, A. Mikroökologie des Darmes. Labor L+S; 3. Auflage; 2019
Schmidt R, Schnitzler S. Allergie und Mikrobiota. 1. Aufl., Stuttgart, Haug-Verlag; 2018
Steiner, J. M. Gastroenterologie bei Hund und Katze. Schlütersche; 2010
Dr. med. vet. Silke Stricker
Dr. med. vet. Silke Stricker ist seit 2012 niedergelassene Tierärztin in Lehrte und hat zusätzlich Anfang der 90er Jahre ihre Ausbildung zur Tierheilpraktikerin absolviert. 12 Jahre Erfahrung in humanmedizinischen Speziallaboren mit Schwerpunkt Darmflora und Mikrobiom komplettieren ihren reichen Erfahrungsschatz. Denn vor allem der Darm und seine Bewohner wecken in der Therapie ihre besondere Begeisterung.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Regulationstherapie, der Darmsanierung, der Phytotherapie und der Homöopathie. Es fasziniert sie immer wieder, wie „austherapierte“ Patienten von regulativen Maßnahmen und einer ganzheitlichen Betrachtungsweise profitieren können.
Seit 2020 ist sie Teil des Dozententeams der ATM. Komplexe Sachverhalte verständlich und im übergeordneten Zusammenhang darzustellen, sind ihr beim Unterrichten ein großes Anliegen.
Frau Dr. Stricker verfasst u.a. auch Fachartikel für das Jahrbuch der Clemens-von-Bönninghausen-Gesellschaft und für das medizinisch-wissenschaftliche Magazin „OM & Tiergesundheit“. In 2021 erscheint ihre erste wissenschaftliche Publikation „Eine Allergie kommt selten allein“.