Kind und Hund: Profi-Tipps für eine tolle Beziehung (Teil 1 Baby und Kleinkind)

Kind und Hund - so wird es eine tolle Beziehung
Kind und Hund: So wird es eine wunderbare Verbindung ©Patricia Lösche

Kind und Hund: Das klingt nach einer perfekten Kombination. Als Kind waren Hunde für mich Kumpel, Seelentröster, Schutzpatron, Spielpartner. Und, ich gestehe, manchmal der Sündenbock, der angeblich die Vase vom Couchtisch gewedelt hatte. Auch meine Tochter wurde so groß. Für sie als Einzelkind waren Hunde Verbündete gegen „schwierige“ Erwachsene, Beschützer-Brüder und Kummerkästen zugleich. Kind und Hund, also tatsächlich ein Dream-Team? Ja, es kann wunderbar sein, wenn… ja, wenn wichtige Dinge im Vorfeld und im Zusammenleben beachtet werden. Sonst könnte aus dem Traum schnell ein Alptraum werden.  Dieser Artikel widmet sich dem Thema Hund und Baby und Vorschulkinder. In einem Folgeartikel werden wir uns das Zusammenleben von Schulkindern und Jugendlichen ansehen.

Kind und Hund – richtig vorbereitet eine tolle Bereicherung

Kinder haben eine besondere Affinitiät zu Tieren, ganz unabhängig von der Kultur, in der sie leben. Der Fachbegriff dafür ist Biophilie – die Liebe zur belebten Umwelt. Tiere stehen auf der Wunschliste der meisten Kinder, und Hunde stehen im Ranking ganz weit oben. Grob fahrlässig wäre es allerdings, zu verschweigen, dass das Zusammenleben zwischen Kind und Hund auch Gefahren bergen kann. Es kommt immer wieder zu Beißvorfällen mit Kindern, und ein Großteil der Verletzungen wird durch den eigenen Hund verursacht (RAGHAVAN, 2008; REISNER et al., 2007).  

Forschungen dazu zeigen, dass die meisten dieser Vorfälle im Haushalt passieren und ein Großteil davon aus Situationen resultiert, die nicht erkannt oder falsch eingeschätzt wurden. Dem Beißvorfall voraus ging in vielen Fällen eine Interaktion zwischen Kind und Hund, besonders häufig zwischen Hunden und kleinen Kindern (0 – 4 Jahre), der Altergruppe, mit der sich dieser Artikel beschäftigt.   

Kind und Hund – Bedürfnisse erkennen, wahren und berücksichtigen  

Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Kind und Hund ist: Die Bedürfnisse beider werden erkannt, gewahrt und berücksichtigt. Wer sich dazu entschließt, einen Hund in die eigene Familie mit Kind aufzunehmen, übernimmt die Verantwortung für ein weiteres Lebewesen, ja ich würde sagen, für ein weiteres Familienmitglied. Dieser Hund hat berechtigte Bedürfnisse, hat seine eigene Art diese auszudrücken und das Recht, dass diese gesehen, respektiert und erfüllt werden. Das Management dafür liegt in der Verantwortung der Erwachsenen. Sie müssen für das seelische und leibliche Wohlergehen aller im Haushalt Lebenden Sorge tragen, und der Hund ist gewissermaßen ein „Kind“ mehr.  

Dem Zusammenleben zwischen Hund und Kleinkind gilt es besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn 

  • Kinder sind körperlich viel „schwächer“ als Erwachsene oder Jugendliche; 
  • Kinder müssen erst einmal lernen, zwischen sich und anderen zu unterscheiden
  • Kinder bis zum Alter von circa 4 Jahren sind nicht in der Lage, die Kommunikation von Hunden zu erfassen und richtig zu interpretieren. 
  • viele Hunde können insbesondere kleine Kinder schlecht einschätzen, weil deren oft noch unkoordinierten Bewegungen, das manchmal laute Weinen, die Unvorhersehbarkeit ihres Verhaltens sie verunsichern.  

Grundsätzlich gibt es im Zusammenleben zwischen Hund und Kleinkind zwei mögliche Kombinationen: Der Hund ist bereits da und das Baby kommt, oder das Kind ist da und ein Hund soll einziehen. Diese beiden Varianten schauen wir uns nun gemeinsam an.

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Kind und Hund: Bei richtiger Vorbereitung können sie wunderbar zusammenwachsen ©Patricia Lösche

Der Hund ist schon da, ein Baby kommt dazu 

Dies ist eine recht häufige Konstellation. Wenn sich Familien an mich wenden, die bereits einen Hund haben und sich nun auf menschlichen Nachwuchs freuen, gilt es aus meiner Sicht erst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen: 

  • Was kann und kennt der Familienhund schon
  • was wird sich mit Ankunft des Babys gegebenfalls verändern
  • was sollte zum Wohle des Hundes unbedingt beibehalten werden 
  • wo ist Veränderung möglich

In Bezug auf Verhalten, das der Hund kann oder können sollte, fokussiere ich gerne auf ein paar wenige Verhaltensweisen, die der Familienhund in der Zeit bis zur Geburt ganz besonders intensiv trainieren darf. Dazu gehört 

  • ein absolut zuverlässiges „geh auf deinen Platz“
  • wirklich gute Leinenführigkeit
  • ein absolut sicheres „Abbruchsignal“.

Klare Strukturen helfen Hund und Kind

Ein Signal zu etablieren, mit welchem dem Hund absolut zuverlässig auf einen bestimmten Platz geschickt werden kann, hat eine Reihe von Vorteilen. Manchmal braucht ein Baby volle Aufmerksamkeit, und dann muss es einfach schnell gehen. Da stört es, wenn ein fröhlich wedelnder Hund meint, „mithelfen“ zu müssen. Wird dieser Platz positiv verknüpft und ist er im besten Fall nicht einfach nur eine Decke, sondern ein klar abgegrenzter Bereich, dient er dem Hund auch als Rückzugsmöglichkeit, als „sicheres Zuhause“, wohin er sich zurückziehen kann, wenn er nicht gestört werden möchte.

Dieser Ort sollte für Kinder tabu sein. Wenn Kleinkinder anfangen, die Welt zu erkunden, ist so ein Hundereich Gold wert. Es schützt den Hund vor tapsigen Kinderhänden, die im schlimmsten Fall die langen Ohren als Aufstehhilfe missbrauchen. Er schützt auch das noch bewegungsunsichere Kind davor, durch einen wedelnden Schwanz umgeschmissen zu werden.  

Eine gute Leinenführigkeit erleichtert das Leben mit Hund und Kind ungemein. Mit einem Kinderwagen unterwegs zu sein ist umständlich genug. Zerrt dann dazu der Hund noch  ständig an der Leine, werden Spaziergänge schnell zur Qual und führen am Ende dazu, dass der Hund zu Hause bleiben muss. Das gilt auch für Spaziergänge mit dem Kind im Tragetuch. Ein großer,  nicht leinenführiger Hund gefährdet vor allem das Baby, wenn er einen Sturz verursacht. 

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Kind und Hund: Klare Regeln sorgen für ein vertrauensvolles Miteinander ©Patricia Lösche

Kommen wir zum Abbruchsignal. Grundsätzlich ist es nicht zwingend notwendig, ein eigenes Abbruchsignal zu trainieren, vielmehr geht es darum, dass der Hund ein Signal so verinnerlicht hat, dass er es in jeder erdenklichen Lebenslage prompt ausführt. Auch ein simples „Sitz“ eignet sich darum als Verhaltensunterbrecher. Der Hund muss schließlich in jedem Fall sein Verhalten abbrechen, um sich zu setzen. Meiner Erfahrung nach ist es sehr wichtig so ein Signal zu etablieren: Das Zusammenleben zwischen Hund und Kleinkind ist ein Leben voller unerwarteter Situationen; den Hund, der vielleicht gerade dabei ist, dem Kleinkind den Keks aus der Hand zu klauen, zuverlässig unterbrechen zu können, hat durchaus Vorteile.  

Hund und Kind müssen sich allmählich kennenlernen

Schauen wir uns nun den Bereich „was der Hund kennt“ an. Wie bereits erwähnt, finden viele Hunde Kinder und ganz besonders Kleinkinder eher unheimlich. Ihre unkoordinierten Bewegungen, die manchmal laute, schrille Stimme ist für sie nicht einfach zuzuordnen. Gemeinsam mit der Familie muss überlegt werden, ob und wenn ja, wie Trainingsmaßnahmen für den Hund aussehen sollten. Gegebenenfalls sollte die Zeit bis zur Ankunft des Kindes genutzt werden, um den Hund mittels klassischer Konditionierung, Gegenkonditionierung, Desensibilisierung möglichst gut auf die Ankunft des Kindes vorzubereiten.   

Ist das Kind erst einmal da, ist alles anders als vorher. Darum ist es wichtig, schon vor dessen Geburt zu überlegen, welche Gewohnheiten auch nach Ankunft des Kindes beibehalten werden sollten und wo Veränderung möglich ist. Ist ein Hund jahrelang zwei oder vielleicht dreimal in der Woche zum Training auf den Hundeplatz gefahren, so wäre es für das Zusammenleben in der neuen Konstellation wenig förderlich, wenn diese Trainingseinheiten plötzlich völlig wegfallen. 

Gemeinsam mit der Familie oder Freunden sollte besprochen werden, wer was in welchem Ausmaß übernehmen kann, ob es Unterstützung von „außen“ gibt, damit für den Hund einige Gewohnheiten bestehen bleiben können. Geht das vielleicht nicht mehr dreimal in der Woche sondern nur noch einmal, kann die Zeit bis zur Ankunft des Babys genutzt werden, den Rhythmus des Hundes langsam anzupassen, anstatt eine plötzliche Veränderung zu etablieren, die schlimmstenfalls negativ mit dem kleinen „Fremdling“ verknüpft wird. Aber ganz gleich, wie gut die Vorbereitung war, oberstes Gebot ist: Kind und Hund dürfen nie unbeaufsichtigt bleiben. Die potentiellen Gefahren sind einfach zu groß!   

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Erst das Kind und dann der Hund: Auch das hat Vor- und Nachteile ©nuzza11/AdobeStock

Das Kind ist schon da, nun soll ein Hund einziehen 

Im Prinzip gilt alles bisher gesagte auch für diese Konstellation. Was fehlt, ist die Vorlaufzeit für Hund und Familie. Das hat Vor-und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass Kinder für einen Welpen, der mit ihnen aufwächst, etwas Selbstverständliches sind. Im Gegensatz zu Hunden die vielleicht jahrelang in einer Familie ohne Kinder lebten, müssen sie sich nicht umgewöhnen. 

Aber es gibt auch Nachteile. Es ist schön, sich vorzustellen, wie Welpe und Baby gemeinsam groß werden. Aber auch ein Welpe ist ein Baby und kann einen wie Menschenbabies auch rund um die Uhr beschäftigen. Beide haben Bedürfnisse, die manchmal spot on erfüllt werden müssen. Das kann eine ziemliche Herausforderung werden, eine, die ich mir persönlich zum Beispiel nicht unbedingt zumuten würde. Ich denke, das muss ganz deutlich besprochen werden. Hier gilt es genau zu prüfen, ob diese Konstellation machbar ist oder ob der Einzug des Welpen nicht besser ein bisschen nach hinten geschoben werden sollte.   Insbesondere dann, wenn bei einem ersten Baby ohnehin alles anders ist.

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Potenzielle Gefahrenquelle: Kommt ein erwachsener Hund hinzu, müssen unbedingt alle Risikofaktoren geklärt sein ©Africa Studio/AdobeStock

Und wenn nun kein Welpe, sondern ein erwachsener Hund einziehen soll? Auch das hat Vorteile. Erwachsene Hunde 

  • sind meist stubenrein
  • haben die „ich kaue einfach alles an, was mir vor nie Nase kommt“-Phase schon hinter sich
  • können leichter einfach auch mal einen Moment warten

Aber die „Problemzonen“ sind nicht von der Hand zu weisen:

  • Kennt der Hund Kinder? 
  • Hat er mit kleinen Kindern gute oder sogar schlechte Erfahrungen gemacht?
  • Wie sah sein bisheriges Leben aus? 
  • Was kann er bereits, was vielleicht auch nicht?

All das und vieles mehr muss für den auserwählten Hund im Vorfeld sorgfältig geklärt und abgewogen werden. Vorerfahrungen haben einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten des Hundes. Entsprechend stark wird das Verhältnis zwischen Hund und Kind beeinflusst, und nur wenn diese Fragen geklärt sind, kann eine Entscheidung getroffen werden, die sicherstellt, dass alle langfristig glücklich werden.

Wer nicht über entsprechende Erfahrung verfügt, sollte sich angesichts der Tatsache, dass ein Hund immer eine potenzielle Gefahrenquelle sein kann, so früh wie möglich fachkompetente Hilfe und Beratung holen, schon bei der Auswahl des Hundes. Oder selbst frühzeitig Fachwissen erwerben. Der Lohn ist eine Kindheit, die den künftigen Erwachsenen wunderbare, ungetrübte Erinnerungen an einen geliebten Freund auf vier Beinen schenkt.

Coach für psychosoziale Mensch Tier Beziehung - hier alle Infos zur Ausbildung Coach an der ATN

Dr. Christine Kompatscher

Dr. Christine Kompatscher ist Italienerin, geboren und aufgewachsen in Südtirol, wo sie heute mit Familie und Hunden lebt. Nach dem Sozialpädagogik-Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Hundetrainerin und diverse Weiterbildungen im Bereich Coaching und Beratung. Heute ist sie selbständig, bietet neben Hundetraining auch tiergestützte Interventionen und Zaubertherapie an. Ihre Seminare hält sie im In- und Ausland, hat eine wöchentliche Radiorubrik und arbeitet mit unterschiedlichen Einrichtungen und Ausbildungsstätten zusammen.

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