Hundeverhaltensberater Tierberuf
Sie sind die Analysten und ein bisschen auch die Pädagogen unter den Tierberuflern: Verhaltensberater fokussieren in ihrer Arbeit auf das gesamte Lebensumfeld eines Tieres. Das setzt nicht nur ausgeprägte Beobachtungsgabe und Wissen über das jeweilige Individuum voraus. Es erfordert zugleich ein tiefgründiges Verstehen des Tieres an sich, der Systematik der jeweiligen Tierart und der jeweiligen Beziehung des Halters zum Tier.
Es regnet in Strömen. Die schwarzweiße Hündin Chara schaut in die hinterste Ecke des Hundeplatzes zu einem farbenprächtigen Ungetüm aus Tunnel, Laufsteg und Planen. Unsicher blickt Chara auf Hundeverhaltensberaterin Birgit Götz und Frauchen Gabi am anderen Ende ihrer Leine, die zusammen mit der Hündin unter dem Hüttenvordach auf das Ende der Regenzeit warten.
Seit Monaten fährt Gabi regelmäßig mit Chara die 40 Kilometer zur Verhaltensberaterin. Der Grund: Die dreijährige Chara hat Angst, vor allem und Jedem, aber besonders vor unbekannten Situationen. Und vor Dunkelheit. Und vor fremden Menschen. Und vor anderen Hunden. Und vor Menschenmengen. Und vor fremden Geräuschen. Kurz: Chara ist Angst und Furcht auf vier Beinen. „Ich liebe meine Hündin und ich leide mit ihr, wenn ich sehe, wie belastend selbst einfache Situationen für sie sind.“ Einzelstunden mit Hundetrainer, Hundespaziergänge, Mantrailing, Hundeschule – Charas Frauchen hat viele Anläufe hinter sich, um ihrer Hündin zu helfen. Mit mäßigem Erfolg. „Manche Ansätze haben das Problem sogar verschlimmert“, erzählt sie.
Für Birgt Götz kein Wunder. „Im Prinzip ist das bei Hunden nicht anders als bei Kindern: Kindern mit psychischen Problemen lässt sich meist auch nicht dadurch helfen, dass sie in die Schule geschickt, ‚zum Spielen‘ auf andere Kinder losgelassen oder einem neuen ‚Hobby‘ zugeführt werden.“ Ehe Birgit Götz in die Arbeit mit Chara eingestiegen ist, stand erst einmal eine ausführliche Anamnese auf dem Programm. Jedes Detail im Leben der Hündin wurde hinterfragt und durchleuchtet, Charas Verhalten beobachtet und analysiert, ihre Ernährung auf den Prüfstand gestellt. „Manches in der Biografie eines Hundes bleibt für immer im Dunkeln“, sagt Birgit Götz, „über Zeiten, in denen er etwa anderswo lebte, kann er uns ja nichts erzählen. Dennoch ‚tickt’ er als Tier auf ganz bestimmte Weise, ebenso als Angehöriger der Spezies Hund und nicht zu vergessen als Individuum. Mit diesem ganzen ‚Gepäck‘ stellt er sich dem Umfeld, das sein jeweiliger Mensch für ihn schafft, den Dingen, die ihm in diesem Umfeld widerfahren und natürlich auch der Persönlichkeit des oder der Menschen, mit denen dieser Hund zusammenlebt.“ Zu schauen, ob und wie man ein Verhaltensproblem aus der Welt schaffen kann, ist erst der letzte Schritt, den ein Verhaltensberater in seiner Arbeit geht. In Charas Fall ging Birgit Götz ihn erst, als sie sowohl die Hündin als auch das Frauchen wirklich verstanden hatte. Dafür reicht das Wissen, wie man einem Hund etwas beibringen kann, nicht aus. Ohne die Kenntnis psychologischer Zusammenhänge, ohne Wissen um Ethologie, Evolution, Genetik oder Psychophysiologie kann Hunden wie Chara nicht geholfen werden.
„Zu Beginn unserer Arbeit mit Chara haben wir erst einmal ein sicheres Alltagsumfeld geschaffen, in dem sie – fast – keinen Stressoren mehr ausgesetzt war.“ Chara in einer „Seifenblase“, von der aus sie sich die Welt Stück für Stück neu erschließen kann. „In winzigen Schritten haben wir ihr dann meinen Hundeplatz zu vertrautem Terrain gemacht“, erzählt Birgit Götz. Im geschützten Raum konnte sie die Hündin dann nach und nach an erste einfachste Herausforderungen heranführen, beinahe wie in einem Labor, in dem sämtliche Bedingungen kontrolliert werden können. „Die positive Versstärkung ist dabei für mich das Mittel der Wahl, weil ich dabei mit dem arbeiten kann, was der Hund bereit ist, von sich aus an erwünschtem Verhalten bzw. neuen Verhaltensstrategien anzubieten – der kürzeste und angenehmste Weg, um das Selbstvertrauen eines Tieres aufzubauen.“ Das entsprechende Know-how hatte sie dabei auch Charas Halterin zu vermitteln, damit diese die Alltagsanforderungen, die sich aus der „Seifenblase“ nicht aussperren ließen, für Chara besser managen kann.
Der Regen hat aufgehört. Jetzt wird sich zeigen, ob Chara inzwischen genügend Selbstvertrauen aufgebaut hat, um mit dem ungewohnten Trainingsungeheuer auf „ihrem“ Platz fertig zu werden. Denn das ist die Voraussetzung für die nächste Stufe: Übertragung der neugewonnenen Problemlösungskompetenz auf Alltagssituationen.
In der sicheren Umzäunung der für sie hergerichteten „Heimatparzelle“ wird sie von der Leine gelassen, darf sich im eigenen Wohlfühl-Tempo der ungewohnten Situation stellen. Und dann staunen Frauchen und selbst Birgit Götz nicht schlecht. Vorsichtig, aber ohne zu zögern, nimmt Chara ihre Aufgabe in Augenschein, läuft motiviert über die Planen und durch den Tunnel, springt auf den Laufsteg und überwindet souverän Styropor-Hindernisse. „Ich bin so unendlich stolz auf meine Chara“, freut sich ihre Besitzerin. Selbst als Birgit Götz unter einer Plane verschwindet und Chara zu sich ruft, kriecht die mutig Gewordene zu ihr unter das blaue Raschelgewebe. „Sie kennt natürlich die einzelnen Elemente der Aufgabe, aber nicht in so einer geballten Zusammenstellung“, sagt die Verhaltensberaterin. „Ich bin sehr glücklich, dass wir sie soweit stabilisieren konnten, auch wenn es so lange gedauert hat.“
Durch den Erfolg ermutigt, wird für die nächste Stunde die erste Konfrontation mit dem wahren Leben in Angriff genommen, ein Supermarktparkplatz mit seinen Einkaufswagen, die eigentlich an einer schönen Gassi-Strecke für Chara liegen, die Frauchen bislang aber tunlichst gemieden hat. Auch wegen der fremden Menschen, denen Chara dort begegnen müsste.
Weitere Infos zur Hundeverhaltensberater Ausbildung erhalten Sie hier:
Der Einstieg in die Hundeverhaltensberater Ausbildung an der ATN Akademie für Tiernaturheilkunde ist jederzeit möglich. Anmeldung zur Hundeverhaltensberater Ausbildung erfolgt durch Zusendung des Aufnahmeantrages.
ATN Akademie
ATN AG ist die im deutschsprachigen Raum führende Schule für Tierpsychologie, Verhaltenstherapie und Hundetraining. Sie ist die erste Schule, die reguläre Lehrgänge zu diesen Themen angeboten hat und ein anspruchsvolles Ausbildungskonzept besitzt.