Katzen im Minze-Rausch – Juergen – stock.adobe.com
Katzen verhalten sich angesichts von Katzenminze so speziell und vorhersehbar, dass dies namensgebend für die Pflanze war: Katzenminze (Nepeta sp.), oder catnip, wie es im Englischen heißt. Was übersetzt so viel bedeutet wie Katzenkneifer oder Katzenzwicker. Katzenbesitzer können die berauschende Wirkung der Katzenminze sogar nutzen, um ihre Samtpfote zu trainieren oder ihr über schwierige Situationen hinwegzuhelfen.
Katze meets Minze
Treffen Katzen (Feliden) auf die in vielen Gärten als Zierpflanze wachsende Katzenminze, wird die kleine Staude zunächst mit zunehmender Intensität beschnuppert, dann beleckt und benagt. Schließlich reibt sich die Katze an ihr hingebungsvoll und ausgiebig Kopf und Kinn, rollt und räkelt sich mit entrücktem Blick auf der Pflanze, als wolle sie sich damit parfümieren.
Ganz gleich, ob der Geruch Kater oder Kätzin zu Kopfe steigt, ganz gleich, ob sie kastriert sind, oder nicht, die Reaktion ähnelt der Rolligkeit, dem Verhalten einer Kätzin während ihrer Empfängnisbereitschaft. Aber mit Sexualität hat das von Katzenminze ausgelöste Verhalten nach derzeitigem Wissensstand nichts zu tun. Selbst trächtige Katzen reagieren so auf die Pflanze, aber Trächtigkeit verhindert Rolligkeit. Und auch Kater, bei denen ein solches Verhalten nicht zum Fortpflanzungsprogramm gehört, reagieren auf Katzenminze mit „Pseudo-Rolligkeit“.
Die blau oder weiß blühende Katzenminze wirkt also nicht als Aphrodisiakum für Katzen, was schon vor Jahrzehnten nachgewiesen wurde, denn die Inhaltsstoffe der Katzenminze wirken bei Feliden nicht als Pheromone (Sexuallockstoffe). Diese werden bei Katzen über das Vomeronasale Organ, einem speziellen Organ zur Geruchswahrnehmung, aufgenommen und von dort direkt an das Riechhirn weitergeleitet. Der Geruch der Katzenminze wird der Studie zufolge aber über die normale Riechschleimhaut der Nase an das Gehirn vermittelt. Trotzdem hält sich die sexuelle Interpretation der eigenartigen Reaktion hartnäckig. Die Ähnlichkeit der beiden Verhaltensmuster ist wohl einfach zu groß.
Katzenminze (Nepeta cataria) Katzenminze ist nicht gleich Katzenminze. Die intensivste Wirkung hat die Echte Katzenminze (© Wikimedia)
Ungelöstes Katzenminze-Rätsel
So vorhersehbar, wie das Katzenverhalten ist, das Rätsel ist bis heute nicht wirklich gelöst. Zwar wurde der Auslöser der Reaktion identifiziert, aber er stellt Wissenschaftler vor ein weiteres Rätsel. Der chemische Stoff, der Katzen ausflippen lässt, ist ein Terpen (Nepetalacton). Terpene sind allgegenwärtig, über 20000 gibt es von ihnen. Hauptproduzenten sind Pflanzen, und jede Pflanzenart hat ihre eigene Rezeptur, durch die sich sogar die Zugehörigkeit zu einer Art bestimmen lässt.
Bei Katzen, aber auch beim Menschen und anderen Säugetieren, gelangen Terpene mit der Nahrung, als Medikament, über die Haut oder über die Luft in den Körper. Beispielsweise als Rauschmittel (Cannabinoide des Hanfes), im Pfefferminzöl, im Vanillin. Vitamin A, E und K gehören in diese Stoffklasse. Als Duftstoffe geben sie dem Öl von Zitrusfrüchten, Koriander-, Kümmel- oder Minzöl, Campher, Geraniol, Pinienöl und vielen anderen den typischen Geruch. Die Katzenminze selbst verteidigt sich mit ihrem Katzen-Ecstasy eigentlich gegen lästige Insekten.
Dem Menschen weit voraus: Nepeta racemosa syn.Nepeta mussinii (© Wikimedia)
Der Cocktail, der Katzen „high“ macht
Das Nepetalacton der Katzenminze (untersucht wurde die mit der Echten Katzenminze eng verwandte Nepeta mussinii) weist eine erst kürzlich entdeckte chemische Besonderheit auf, von der bis dahin niemand wusste, dass es sie in der Natur überhaupt gibt. Bislang fühlte sich der Mensch als deren Erfinder und man kannte sie nur aus dem Chemie-Labor. In einem als Diels-Alder-Reaktion bezeichneten chemischen Prozess lassen sich dort naturidentische chemische Stoffe künstlich herstellen. Das Sexualhormon Östrogen beispielsweise. Für diese Entdeckung bekamen die Chemiker Otto Diels und Kurt Alder 1950 den Chemie-Nobelpreis. Verdient hätte den Preis eigentlich die hübsche, aber eher unscheinbare Katzenminze, denn dort läuft diese Reaktion – wahrscheinlich einmalig in der Natur – natürlich ab, wie ein Forscherteam 2018 herausfand.
Weitere Pflanzen, die Katzen euphorisieren
Die Hälfte aller Katzen sind von ihm begeistert, für menschliche Nasen riecht er eher unangenehm intensiv: Baldrian (Valeriana officinalis) wird von der Hälfte aller Katzen begeistert angenommen. Eine berauschende Wirkung auf viele Katzen hat auch die Tataren-Heckenkirsche (Lonicera tatarica). Der bis zu vier Meter hohe, rosa blühende. Strauch ist sehr trockenverträglich. Außerdem ist er eine frühe Insektenweide, und die Beeren werden gerne von Vögeln gefressen. Wir werden ihm deshalb wohl bald häufiger als derzeit in Gärten und Parks als Zierpflanze begegnen. Sehr zur Freude der Katzen.
Favorit unter den „Katzen-Drogen“ ist Japanischer Silberwein (Actinidia polygama; auch Silberrebe oder Matatabi). Ihn gibt es hier allerdings nur sehr selten. Der Wirkstoff, auf den Katzen abfahren, ist mit dem der Katzenminze verwandt (Nepetalactol). Auf rund 80 Prozent aller Katzen wirkt Silberwein unwiderstehlich. Wobei die Rauschwirkung sogar noch höher ist, als bei der Katzenminze. Das stellten Uenoyama, Miyazaki et al. 2021 in einer Studie fest. Indem sie sich darin wälzen und sich an der Pflanze reiben wehren Katzen mit dem Pflanzenwirkstoff Mücken ab. Wir nehmen nehmen den Geruch nicht einmal wahr.
Katzen helfen – mit Katzenminze
Katzenminze kann also schon lange, was der Mensch erfunden zu haben glaubte. Liegt hier vielleicht die Erklärung dafür, warum Katzen, Wildkatzen ebenso wie unsere Haustiger, so auf Katzenminze abfahren? Oder hat die Evolution ihnen vielleicht in die Gene geschrieben, dass Katzenminze auf Flöhe und Mücken stark abstoßend wirkt? Wir wissen es noch nicht. Aber die euphorisierende Wirkung lässt sich für Verhaltenstherapie und Training nutzen. Zwar entwickeln nicht alle Katzen den Minze-Kick, aber bei 75 Prozent von ihnen ist die Anlage dazu im Erbgut verankert. Angesicht einer solchen Quote ist der Einsatz bei den meisten Tieren erfolgversprechend und unbedingt einen Versuch wert. Der Geruch der Katzenminze
- kann einen ungeliebten oder neuen Kratzbaum attraktiver machen und dadurch von dazu zweckentfremdeten Lieblingsmöbeln des Menschen ablenken.
- kann den Umzug in eine neue, ungewohnte Umgebung angenehmer gestalten. Zunächst wird die Katzenminze in der vertrauten Umgebung der alten Wohnung eingesetzt, dann in die ungewohnte neue Umgebung kurzzeitig als vertrautes und berauschendes Element übernommen.
- kann Transportboxen attraktiver und erträglicher machen, was, wenn es früh eingesetzt wird, zu einer positiven Konditionierung in Bezug auf Transportsituationen führen kann. Allerdings reagieren nur geschlechtsreife Katzen auf Nepetalacton. Trotzdem kann es dezent als vertrauter Geruch etabliert werden.
- wirkt nach einer Weile der Einwirkung schließlich beruhigend auf die Tiere, hilfreich bei gestressten Katzen.
- kann Spielzeug attraktiver machen. Mit Katzenminze präpariert, animiert es selbst träge Katzen zum Spielen – gut gegen Langeweile und Adipositas. Allerdings verfliegt der Geruch relativ schnell und muss aufgefrischt werden.
Etwas getrocknete Katzenminze macht ungeliebte Kratzbäume für Katzen attraktiv (© Oleg – stock.adobe.com)
All das sind immer nur kurzzeitige Hilfsmaßnahmen. Eine Katze sollte damit niemals dauerhaft „unter Drogen“ gesetzt werden. Dazu ist zu wenig über die tatsächliche Wirkung bekannt. Anhaltende Probleme müssen ursächlich hinterfragt werden. Bei besonders ekstatischen Katzen kann es im Rausche der Begeisterung zu spielerischer Aggression kommen, auch zwischen den Katzen eines Haushalts, die individuell verschieden auf die Katzenminze reagieren können.
Übrigens: Nicht nur Katzen finden Katzenminze cool. In den 1960er Jahren wurde sie als Marihuana-Ersatz geraucht und man schreibt ihr eine halluzinogene und stimmungsaufhellende Wirkung zu. Vielleicht sind Katzen also tatsächlich einfach „high“, wenn sie den Geruch von Katzenminze in der Nase haben ? Für Mäuse wurde das sogar nachgewiesen. Auf sie wirkt Nepetalacton als Opioid.
Weitere Pflanzen, die Katzen euphorisieren
Baldrian (Valeriana officinalis): Die Hälfte aller Katzen finden den intensiven, leicht modrigen Geruch des heimischen Baldrians unwiderstehlich.
Japanischer Silberwein (Actinidia polygama; auch Silberrebe oder Matatabi). Ein seltener Strauch, den wir – im Gegensatz zu Katzen – nicht riechen können. Der Wirkstoff (Nepetalacton), der Katzen berauscht, ähnelt der Katzenminze, ist aber wirksamer. In Japan ist diese Rauschwirkung lange bekannt. Dreiviertel aller Katzen lieben ihn. können sich an ihm berauschen. Wobei die Rauschwirkung selbst auch höher sein soll. Wie die Katzenminze wirkt er repellent auf Mücken und eventuell auch auf andere Parasiten. Katzen reiben sich daran und wälzen sich in den Blättern. Einer japanischen Studie zufolge scheint. Nepetalacton, ähnlich wie Opioide, das Nervensystem der Tiere zu stimulieren.
Tataren-Heckenkirsche (Lonicera tatarica): Die Tataren-Heckenkirsche ist ein bis zu vier Meter hoher Strauch mit rosa Blüten, die eine frühe Insektenweide und deren Früchte später eine Vogelweide sind. Der Strauch verträgt viel Trockenheit, wir werden ihm wohl in den kommenden Jahren häufiger als derzeit in Gärten und Parks als Zierpflanze begegnen. Unter und in ihm dann wohl auch die eine oder andere Katze.
Quellen:
Hart BL, Leedy MG: Analysis of the catnip reaction: mediation by olfactory system, not vomeronasal organ. ( Behav Neural Biol. 1985 Jul;44(1):38-46.
O’Connor, Lichman, Kamilee, Titchiner, Saalbach, Stevenson, Lawson: Uncoupled activation and cyclization in catmint reductive terpenoid biosythesis ; Nature Ausgabe 10.12.2018;
Jeff Grognet: Catnip: Its uses and effects, past and present (Can Vet J., 1990 Jun; 31(6): 455–456)
Aydin S, Beis R, Oztürk Y, Baser KH, Baser C: Nepetalactone: a new opioid analgesic from Nepeta caesarea Boiss. In: J. Pharm. Pharmacol.. 50, Nr. 7, Juli 1998, S. 813–817.
U.S.National Plant Germplasm System https://npgsweb.ars-grin.gov/gringlobal/taxonomylist.aspx?category=species&type=genus&value=Nepeta&id=8172 Zugriff 15.10.2019
Uenoyama R, Miyazaki T, Hurst JL, Beynon RJ, Adachi M, Murooka T, Onoda I, Miyazawa Y, Katayama R, Yamashita T, Kaneko S, Nishikawa T, Miyazaki M. The characteristic response of domestic cats to plant iridoids allows them to gain chemical defense against mosquitoes. Sci Adv. 2021 Jan 20;7(4):eabd9135. doi: 10.1126/sciadv.abd9135. PMID: 33523929; PMCID: PMC7817105.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).