Schulhunde – eine ganz besondere Spezies?

jeder hund kann ein schulhund sein

Jeder Hund kann ein Schulhund sein – Patricia Lösche

Es gibt immer wieder Publikationen, die glaubhaft machen wollen, es gäbe den typischen geeigneten Schulhund. Es gibt sogar Züchter die behaupten, solche Hunde zu züchten. Aber wie sieht er aus, dieser Standard-Schulhund mit den Standardeigenschaften für die Übernahme in den Schuldienst? Oder gibt es ihn am Ende doch nicht?

Welche Schule eignet sich?

Dass Hunde im Schulunterricht positiven Einfluss ausüben, ist inzwischen hinlänglich belegt. Ihre Anwesenheit fördert Lesekompetenz und Kooperationsbereitschaft von Schülern, wirkt motivierend, verbessert Konzentration, Rücksichtnahme und Empathiefähigkeit untereinander wie anderen Lebewesen gegenüber. Vor allem aber bringen sie Kindern und Jugendlichen Natur näher und sind in ihrem Hund-sein eine Bereicherung des Unterrichts.

Mensch profitiert, aber wie geht es Hund, wenn er in eine lärmende Klasse voller unbekannter Menschen kommt? Wenn Geräusche und Gerüche auf ihn einstürmen, ohne dass er sie auf Hundeart beantworten kann? Wenn fremde Menschen ihm auf die Pelle rücken und fremde Hände ihn streicheln, ohne ihn zu fragen, ob er das will? Wenn er von Grobheiten überrascht wird, seien sie auch unbeabsichtigt? Oder noch schlimmer: beabsichtigt. Die Antwort ist einfach: Schlecht. Denn der Hund in der Schule ist nicht dazu da, diese Missstände zu beseitigen oder auch nur auszuhalten. Das ist Aufgabe der Lehrer. Wie also muss Hund gestrickt sein, um das alles auszuhalten, ohne Schaden zu nehmen? Welcher Hund eignet sich für eine derart anspruchsvolle Aufgabe? Auch das ist schnell beantwortet: Keiner. Siehe oben. Eine Klasse und eine Schule, in der es so zugeht, ist so nicht für die Mitnahme eines Hundes geeignet.

Das Lehrer-Hund-Team

Ob ein Hund in die Schule passt, hängt nicht vom Hund ab. Es hängt von der Schule und von der Lehrkraft ab. Von ihrem Verhältnis zum Hund, ihrer Fürsorge, ihrem Gespür für den Hund. Nicht von Rasse und Geschlecht, auch nicht von irgendwelchen beim Welpen diagnostizierten Charakterpoints. Es gibt keinen Standard-Schulhund, nur Menschen, die von sich behaupten, Schulhunde zu züchten und solche, die ihn normieren wollen wie Hühnereier.

Natürlich gibt es Hunde, deren Charakter es auch unerfahreneren Hundeführern erleichtert, mit ihnen umzugehen und sie in den Schulunterricht zu integrieren, ohne dass es sie belastet. Aber bei korrektem Umgang und fachlich kompetenter Einschätzung lässt sich fast alles am und über den Hund bereichernd in den Unterricht einbinden: In den Biologieunterricht. In den Sozialkundeunterricht. In Physik, Chemie und Geschichte oder Erdkunde, in Philosophie und Sprachen. Von Kunst und Sport ganz zu schweigen. Entscheidend ist vor allem die Konstellation des Mensch-Hund-Teams. Sie entscheidet darüber, ob die Schule, der Unterricht für den Hund, nicht der Hund für die Schule geeignet ist. Der Hund muss in der Schule nichts können, außer Hund sein. Dabei darf er alle Facetten des Hundseins repräsentieren. Alle, außer Aggression natürlich. Ein solcher Hund, ganz gleich, ob offensiv oder defensiv aggressiv, ist schon im normalen Alltag überfordert. Abgesehen davon muss Hund Schule nicht können, sondern ist in der Schule dabei, wie er im Auto oder in der Bahn oder sonstwo dabei ist. Aber er kann als Vertreter der Spezies Hund ganz wunderbar in den Unterricht einbezogen werden, Empathie lehren und helfen, Natur zu vertreten, in einer Zeit, wo die Verbindung dazu bei vielen Kindern abgerissen ist.

Individuum statt Standard

Der Phantasie des Hundemenschen sind hier fast keine Grenzen gesetzt. Vorausgesetzt, er hat ein profundes und fundiertes Wissen darüber, wie Hund tickt; er kennt seinen Hund genau, weiß, was er erträgt, wie er sich mitteilt, was ihm zu viel ist und vor allem wann es ihm zu viel wird, ob er gesund oder krank ist, ob er zufrieden oder verunsichert ist. Und es ist an Frauchen oder Herrchen, darauf angemessen zu reagieren und dafür zu sorgen, dass sich der Hund im schulischen Umfeld wohl und nicht bedrängt fühlt.

hund in der schule

Ob sich der Hund in der Schule wohlfühlt, hängt von der Schule ab, nicht vom Hund (Foto: Lösche)

Ein Hund in der Schule muss kein Held sein. Dann lernen die Schüler, wie man mit einem Nicht-Helden auf vier Beinen umgeht. Er kann schon etwas älter sein. Dann lernen Schüler, wie und dass man darauf Rücksicht nimmt. Er kann ein Welpe sein. Dann lernen die Schüler, wie man mit Welpen umgeht ohne sie zu überfordern. Damit werden auch den Schülern die richtigen Signale gesetzt. Durch die hundeführende Lehrkraft, die darin ausgebildet ist, die Hund erklärt, weil sie gelernt hat, was (dieser) Hund braucht und aus der Verantwortung dem Tier gegenüber den Schülern entsprechende Grenzen setzt und deren Einhaltung auch durchzusetzen vermag. Ein Hund muss kein Schulperformer sein. Nur anwesend, eingebunden und respektiert als das, was er ist. Es geht nicht darum zu vermitteln, dass es einen Standardhund gibt, der eine Standardleistung erbringt, die ein Standardverhalten und ein Standardaussehen erfordert. Dass ein Schulhund also ein caniner Sonderfall ist und mit dem vulgären Haushund lediglich entfernt verwandt. Es gilt darum zu vermitteln, dass Hunde Individuen sind und alles, nur nicht Standard, und dass sie sich darin und in vielem anderen auch nicht im Mindesten von den Schülern und Lehrern unterscheiden. Den DIN-Hund gibt es nicht.

Vertrauen zählt

Ein Hund sollte grundsätzlich mit seiner direkten Bezugsperson zum Einsatz kommen und auch nur dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dieser und dem Hund stabil ist. Ein Ausleihen an Lehrerkollegen ist nicht im Sinne des Hundes und deshalb abzulehnen. Durch den fehlenden Rückhalt des vertrauten Menschen ist er zusätzlichem Stress ausgesetzt, was in diesem Kontext zu negativem Erleben durch den Hund führen kann. Damit kann eine Mitnahme in die Schule unter Umständen künftig in Frage gestellt werden. Zudem kann eine „Leihkraft“ Anzeichen für eine zu hohe Stressbelastung übersehen, da solche Anzeichen durchaus individuell geprägt und dezent sein können. Das Kleingedruckte im Hundeverhalten ist komplex und die Verantwortung groß. Gerät eine Situation außer Kontrolle, weil bestimmte Alarmzeichen nicht korrekt interpretiert wurden, kann das weitreichende Konsequenzen haben.

Ein eingespieltes Lehrer-Hund-Team, dessen Beziehung vertrauensvoll, gefestigt und belastbar ist, ist dagegen eine solide Basis. Dass der Hund einem Lehrer oder einer Lehrerin gehört, ist allerdings eine zwar notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Und dass diese einen Hund haben, reicht allein für die Befähigung, diesen im Schuldienst einzusetzen, ebenfalls nicht aus. Es ist ein Irrtum zu glauben, dies ginge ohne profundes Hintergrundwissen durch eine zusätzliche Ausbildung und ohne genaue Kenntnis der Hunde-Ethologie. Denn für den Schuldienst muss in diesem Team vor allem der Mensch den Leistungskriterien einer tiergestützten Schulpädagogik entsprechen, muss geeignet und in der Lage sein, den korrekten Umgang mit dem Hund vorzuleben, zu lehren und zu garantieren. Daraus erwächst eine Souveränität, die fast jeden Hund schultauglich macht. Für die Schüler bietet er damit einen Orientierungspunkt.

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Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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