Papageien und Sittiche zu halten ist anspruchsvoll und arbeitsintensiv. Ich beginne meinen Tag immer mit der Reinigung der Papageien-Volieren. Bis alles sauber, die Näpfe aufgefüllt und ausreichend Beschäftigungsmaterial verteilt ist, vergehen eineinhalb Stunden. Vieles wäre einfacher, wenn alle Tiere dieselben Bedürfnisse hätten. Aber neben den individuellen Neigungen müssen arteigene Interessen berücksichtigt werden, die so unterschiedlich sein können, wie die Vögel selbst.
Wer lange Freude an gesunden Tieren haben möchte, muss sich darum zunächst mit dem natürlichen Lebensraum der Art beschäftigen, auf die die Entscheidung gefallen ist. Manche Arten stammen aus feucht-warmen (humiden) Regionen, andere aus trockenen (ariden) Lebensräumen. Daraus ergeben sich bereits grundsätzliche Unterschiede in den Ansprüchen an die Haltung.
Der häufigste Heimvogel weltweit ist der Wellensittich (Melopsittacus undulatus), er stammt aus den Halbwüstengebieten Australiens und ist einer der kleinsten Papageien, die wir als Heimvögel halten. Seine gesamte Biologie ist darauf ausgerichtet, auch unter den härtesten Lebensbedingungen zu überleben. Er ist ein opportunistischer Brüter und Nomade. Wenn die Umweltbedingungen stimmen, kann er innerhalb kürzester Zeit in Balzstimmung kommen (Juniper & Parr, 2003).
In der „mittleren“ Größe begegnet uns der Graupapagei (Psittacus erithacus) häufiger. Sein Lebensraum in Afrika ist sehr humide und weist eine Luftfeuchte bis zu 80 Prozent auf. Bei weniger als 60 Prozent in geschlossenen Räumen fühlt er sich nicht mehr dauerhaft wohl und wird anfällig für Krankheiten. Rosakakadus (Eolophus roseicapilla), die ebenfalls zu den mittelgroßen Papageien zählen, fühlen sich hingegen schon bei einer Luftfeuchte von 60 Prozent unwohl und gedeihen besser bei einer Luftfeuchte von 40 Prozent, denn sie leben in den semiariden Gebieten Australiens.
Praxisstipp
Geringe Luftfeuchtigkeit zu gewährleisten ist bei uns meist unproblematisch. Eine größere Herausforderung ist die richtige Luftfeuchte für Arten aus humiden Lebensräumen. Luftbefeuchter und Zimmerpflanzen, die eine hohe Verdunstungsrate haben, können hier gute Dienste leisten und die Lebensqualität der Vögel steigern.
Haltung in Anpassung an den ursprünglichen Lebensraum
Der ursprüngliche Lebensraum bestimmt auch die Ernährung von Papageien und Sittichen. Längst nicht alle ernähren sich dort von Körnern. Manche leben von Früchten (frugivor), andere von Samen und Getreide (granivor), aber niemals ausschließlich von grünen Pflanzenteilen (z.B. Blätter). Während frugivore Arten eher in den Baumkronen (arboreal) leben und selten den Boden aufsuchen, findet man bei den granivoren Arten eher die sogenannten „Groundfeeder“, also solche, die auf dem Boden nach Nahrung suchen. Die Haltung muss das berücksichtigen.
Groundfeeder wie Wellensittiche, Nymphensittiche (Nymphicus hollandicus) und einige Kakadus benötigen eine Bodenbedeckung (Substrat), in der sie scharren und nach Nahrung suchen können, während arboreal lebende Arten wie zum Beispiel Rotschwanzsittiche (Pyrrhura) oder Keilschwanzsittiche (Aratinga) kaum auf dem Boden zu finden sind. Sie müssen oben gefüttert werden.
Volieren-Hygiene in der Papageien- und Sittichhaltung
Nahrungssuche auf dem Boden führt häufig zu Hygieneproblemen, da die Tiere in geschlossenen Volieren durch den eigenen Kot laufen. Das begünstigt Infektionen, wenn der Boden nicht regelmäßig gereinigt, die Einstreu zu selten gewechselt wird. Bei frugivoren Arten kann die feuchte Nahrung zu Hygieneproblemen führen, wenn die Tiere das Futter umherschleudern, sodass es am Volierengitter kleben bleibt. Hefepilzinfektionen kommen bei diesen Arten deutlich häufiger vor.
Vorwiegend frugivore Arten | Rotschwanzsittiche, Keilschwanzssittiche, Weißbauchpapageien, Langflügelpapageien, Rotsteißpapageien, Amazonen, Graupapageien, Edelpapageien, Weißhaubenkakadus, Molukkenkakadus, Wellensittiche |
Vorwiegend granivore Arten | Wellensittiche, Nymphensittiche, Plattschweifsittiche, Rosakakadus, Gelbhaubenkakadus, Mönchssittiche |
Der Schnabel – ein Multifunktionswerkzeug
Was für uns Lippen und Zähne, ist für Papageien der Schnabel. Sie brauchen ihn nicht nur zum Ergreifen und Erschließen der Nahrung. Er dient ebenso Körperpflege und sozialer Kontaktaufnahme (Harrison & Lightfood, 2006). Als „Multifunktionswerkzeug“ braucht er besondere Pflege.
Auf der Innenseite des Schnabels befindet sich bei vielen Papageien eine Rillenstruktur, die dem Tier hilft, Nahrung aufzuschließen. Um diese Rillen sauber zu halten, nehmen vor allem frugivore Vögel nach der Mahlzeit weiche Substanzen wie Rinde, Kork oder Ähnliches auf, die eine Weile im Schnabel bewegt und dann wieder fallen gelassen werden. So wie wir uns die Zähne putzen, brauchen Papageien und Sittiche diese Möglichkeit, ihre Schnabelhöhle zu reinigen. Mangelhafte Schnabelhygiene führt zu Krankheiten und sogar zu fehlgeleitetem Verhalten wie der Zerstörung des Gefieders.
Praxistipp
Damit die Vögel ihr Bedürfnis, den Schnabel zu reinigen, befriedigen können, empfiehlt es sich, ihnen dafür Sitzäste mit weicher, borkiger Rinde, Kork, Balsaholz oder Pappe anzubieten.
Körperbau und Flugverhalten
Der Körperbau verrät uns viel über die Vögel. Arten, die kurze Schwänze und einen gedrungenen Körperbau haben, sind eher direkte und kraftvolle Flieger. Zu ihnen zählen Amazonen, Langflügelpapageien und Katharinasittiche, aber auch Sperlingspapageien und Weißbauchpapageien. Arten mit langen Flügeln und langen Schwänzen sind elegante und schnelle Flieger, die zuweilen mit waghalsigen Flugmanövern auffallen. Zu ihnen zählen Wellensittiche, Nymphensittiche, Rotschwanzsittiche, Plattschweifsittiche und Keilschwanzssittiche. Mönchssittiche haben eine Sonderstellung. Ihr Körper ist zwar gedrungen, aber dank ihres langen Schwanzes sind sie dennoch effiziente und wendige Flieger.
Die Voliere ist dem anzupassen. Generell ist bei allen Arten eine horizontale Konstruktion zu bevorzugen. Arten, die flugintensiv sind, benötigen lange Strecken, damit sie ihr Potential ausschöpfen können. Sie brauchen Sitzstangen mit rauer Rinde, die sie beim Anfliegen sicher greifen können. Anders die Kletterer unter den Papageien: Sie benötigen viele Äste unterschiedlicher Dicke mit möglichst vielen Astgabeln und andere Klettermöglichkeiten, um sich wohlzufühlen.
Praxistipp
Naturäste lassen sich schlecht reinigen und müssen häufig ausgewechselt werden. Die Rinde wird gerne abgenagt. Damit sitzen die Vögel schnell auf dem blanken Holz. Das erschwert den Krallenabrieb. Die empfindlichen Sohlen vieler Vögel werden dadurch schnell wund (Bumblefoot), vor allem dann, wenn die Papageien oder Sittiche zusätzlich übergewichtig sind. Auch der Sitzast vor den Futternäpfen sollte abwischbar sein, da die Vögel hier nach der Nahrungsaufnahme häufig den äußeren Schnabel durch Abwischen reinigen. Hasel, Weide und junge Süßkirsche haben eine glatte Rinde und sind daher für diesen Zweck gut geeignet. Wichtig: Bei der Strukturierung von Volieren muss der Fokus grundsätzlich darauf liegen, Äste so zu montieren, dass möglichst wenig Kot darauf fallen kann.
Schutzbedürftige Vögel
Papageien und Sittiche sind potenzielle Beutetiere, auch wenn der Anblick eines großen Aras oder Kakadus mit seinem wehrhaften Schnabel respekteinflößend ist. Als Beutetiere sollten sie stets die Möglichkeit haben, sich zurückziehen zu können, auch vor den neugierigen Blicken der eigenen Halter. Studien an Venezuela-Amazonen haben gezeigt, dass die Stellung der Voliere im Raum das Verhalten stark beeinflussen kann. Tiere in Volieren, die in direkter Linie zur Eingangstür standen, wiesen nach kurzer Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Rupfen auf (Meehan et al., 2006).
Praxistipp
Volieren sollten nicht in direkter Linie zur Eingangstür in einem Raum stehen und mindestens mit einer Volierenseite an einer Wand platziert werden.
Bei der Zusammenstellung der Vögel ist Fingerspitzengefühl angesagt. Unverträglichkeit von Tieren untereinander kann schnell zu schweren Auseinandersetzungen bis hin zum Tod führen. Einige Beispiele:
- Agaporniden werden oft als „Unzertrennliche“ oder „Liebesvögel“ bezeichnet. Im Schwarm können Weibchen allerdings sehr aggressiv auf Artgenossinnen reagieren. In Volieren mit zu hohem Besatz führt das zu blutigen Beißereien.
- Edelpapageienweibchen dulden keine anderen Weibchen in ihrer direkten Nähe, wenn die Voliere zu klein ist.
- Bei Kakadus kommt es regelmäßig zu schweren Aggressionen mit Tötung des Weibchens, wenn Volieren zu klein sind und es an Beschäftigungsmöglichkeiten (Enrichment) fehlt oder Tiere nicht harmonieren. Dann müssen Trennwände integriert werden, um aggressive Männchen separieren zu können.
- Wellensittiche zeigen bei zu hohem Besatz der Voliere und einem zu geringen Flugraum Zeichen von Stress durch erhöhtes Wing-Flapping (Philips et al., 2018) und Gähnen (Miller et al. (2010). Wird keine Abhilfe geschaffen, sind die Vögel dauerhaftem Haltungsstress ausgesetzt.
- Nymphensittiche, die als Kakadus besonders empfindlich auf Stress reagieren, äußern sich häufig in andauerndem Rufen und durch Zerstörung des Gefieders.
Vor allem kleinere Arten finden wir oft „niedlich“, weil sie unser „Kindchenschema“ bedienen. Aber es sind erwachsene Vögel mit gut entwickeltem Fortpflanzungsverhalten, die vor allem in der Balz ausgeprägtes Territorialverhalten gepaart mit Aggressivität entwickeln können. Für das Wohlbefinden der Tiere muss das bei der Volierengestaltung unbedingt berücksichtigt werden.
Falsche Haltungsbedingungen führen zu Gesundheitsschäden und Verhaltensstörungen. Es ist davon auszugehen, dass sich zahlreiche Halter der Haltungsansprüche, die ihre Tiere haben, nicht oder kaum bewusst sind. Der Leidensdruck der Vögel ist dort groß:
- Ihnen fehlen soziale Kontakte.
- Die Fütterung ist nicht artgerecht.
- Falsche Fütterung führt zu Verdauungs- und Stoffwechselproblemen.
- Bewegungsbedürfnisse können nicht befriedigt werden.
Fazit
Lebensqualität und Wohlbefinden von Papageien und Sittichen in menschlicher Obhut beginnen mit der Anpassung der Haltung an wesentliche biologische Bedürfnisse dieser Vögel. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen, damit sie gesund bleiben. Wohlbefinden bedeutet aber auch Enrichment, Training und die Förderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Ihnen werden wir uns in einem nächsten Artikel zum Thema Papageien und Sittiche widmen.
Hildegard Niemann
Dipl.biol. Hildegard Neumann ist Diplom-Biologin und Verhaltensberaterin für Papageien und Sittiche (Parrot Behaviour Consulting). Seit 2006 ist sie Mitglied der Internationalen Vereinigung von Tierverhaltensberatern (IAABC), Mitglied der American Federation of Aviculture (AFA) und der International Association of Avian Trainers and Educators (IAATE). Neben regelmäßigen Workshops zum Thema – seit einigen Jahren auch online – schreibt Frau Niemann für viele internationale Zeitschriften, gibt online ein eigenes Papageien-Magazin heraus, ist Autorin mehrerer Bücher über Papageien, Sittiche und Ziervögel und der ATN-Skipte zum Thema. Als gefragte Gastreferentin hält sie international Fachvorträge über ihre Lieblingstiere, die sie selbst bereits seit über 30 Jahren hält. Für die ATN betreut sie als Tutorin die Papageien-Skripte im Lehrgang Tiertraining.
Literatur
Berg, K.J., Guzman, D.S., Paul-Murphy, J., Hawkins, M.G., & B.A. Byrne (2021): Diagnosis and treatment of Candida glabrata proventriculus in an eclectus parrot (Eclectus roratus). Journal of American Veterinary Association 260 (4): 442-449.
Garner, J.P., Meehan, C.L., Famula, T.R., & J.A. Mench (2006): Genetic, environmental and neighbor effects on the severity of stereotypies and feather picking in Orange-winged Amazon parrots (Amazona amazonica): An epidemiological study. Applied Animal Behaviour Science 96 (1-2): 153-168.
Harrison, G.J. & T. Lightfood (2006): Clinical Avian Medicine. Volume I. SPIX Publishing.
Juniper, T. & M. Parr (2003): Parrots. A Guide to the Parrots of the World, Helm Press.
Miller, M.L., Gallup, A.C., Vogel, A.R., & A.B. Clark (2010): Handling stress initially inhibits, but then potentiates yawning in budgerigars (Melopsittacus undulatus). Animal Behaviour 80 (4): 615-619.
Phillips, C.J.C., Farrugia, C., Chun-Han, L., Mancera, K., & B. Doneley (2018): The effect providing space of standards on the behaviour of budgerigars in aviaries. Applied Animal Behaviour Science 199: 89-93.