Freigänger-Katzen: Richtiges Management bei Hausarrest

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Freigänger-Katzen: Richtiges Management bei Hausarrest – Patricia Lösche

Freigänger-Katzen führen ein schönes und artgemäßes Leben. Müssen sie plötzlich längere Zeit im Haus gehalten werden, lassen Probleme selten lange auf sich warten. Manchmal ist der Stubenarrest eine amtliche Auflage. Wenn beispielsweise wieder einmal die Vogelgrippe grassiert. Andernorts wagen Katzenhalter auch ohne Vorschrift nicht, ihre Lieblinge aus dem Haus zu lassen oder die Katze muss aus gesundheitlichen Grüßen längere Zeit das Haus hüten. Wie reagieren unsere Samtpfoten auf die Veränderung? Was können Katzenhalter tun, um ihnen die Zeit zu erleichtern? Welche Probleme können auf sie zukommen? Wir haben die Diplom-Biologin, Fachbuchautorin und ATN-Fachdozentin Birgit Rödder zu dem Thema befragt.

Frau Rödder, mit welchen Problemen muss ich rechnen, wenn meine Katze plötzlich nicht mehr wie gewohnt nach draußen darf?

Die Katze wird in den meisten Fällen dagegen protestieren – auf ihre Art: Unsauberkeit, Harnmarkieren, Aggression, Depression, Zerkratzen von Tür- und Fensterrahmen, Vokalisation können ebenso gezeigt werden wie Ausbruchsversuche, Rückzug oder Futterverweigerung. Das kann sehr belastend für die Katze und alle anderen Beteiligten sein. Ob, was und in welchem Maße es auftritt, hängt dabei von der Persönlichkeit und Stresstoleranz der Katze ab.

Wie mache ich der Katze denn am besten klar, dass die Tür verschlossen bleibt?

Indem die Tür fest verschlossen bleibt. Katzen sind einfallsreich und entwischen sehr flink, wenn sie eine Chance dafür sehen. Manchmal hilft es, die Tür zu verhängen. Der veränderte Anblick irritiert manche Katzen. Meist hilft das nur für eine kurze Zeit, ist aber einen Versuch wert.

Und wenn die Katze mit der Situation überhaupt nicht klar kommt?

Dann kann es sinnvoll sein, sie vorübergehend in einer Katzenpension oder bei Freunden unterzubringen. Die drastische Veränderung verhindert negative Assoziationen wie den erlebten Kontrollverlust über das vertraute Territorium. Im fremden Territorium ist ohnehin alles anders für die Katze, sie ist erst einmal zurückhaltend und muss sich neu orientieren. Eine Katze, die so extrem sensibel auf die veränderten Haltungsbedingungen in der vertrauten Umgebung reagiert, kommt damit in einer fremden Umgebung häufig besser zurecht. Wird sie dann nach Hause geholt, ist alles wieder vertraut.

Ist es sinnvoll, die Fütterung der Katze umzustellen?

Ja, durchaus. Häufiges Füttern kleiner Mengen mildert Langeweile und Frustration. Der abwechslungsreiche Speiseplan eines Freigängers kann durch verschiedene Futtersorten guter Qualität nachempfunden werden. Wird das Futter an wechselnden Orten in der Wohnung aufgestellt oder versteckt, befriedigt das außerdem den Jagdtrieb und und regt das Erkundungsverhalten an. Auch den Futterzugang zu erschweren macht ein Leben ohne Freigang aufregender.

Was ist, wenn die Katze drinnen das Trinken verweigert?

Am besten verschiedene und mehrere Quellen anbieten: Leitungs-, Regenwasser, ggf. Brühe, verdünnte Katzenmilch; aus unterschiedlichen Näpfen an mehreren Standorten und möglichst entfernt vom Futterplatz. Feuchtfutter kann zusätzlich mit Wasser angereichert werden. Trinkt die Katze zu wenig, darf auf keinen Fall Trockenfutter gefüttert werden. Wenn das Trinken nachhaltig verweigert wird, muss die Katze gegebenenfalls zeitnah dem Tierarzt vorgestellt werden, damit es nicht zur Austrocknung kommt.

Braucht die Katze jetzt extra Beschäftigung?

Ja, das hilft der Katze auf jeden Fall. Freigänger sind es gewohnt, all ihre Sinne einzusetzen. Das Einsperren führt schnell zu Frustration und zu einem steigenden Stresspegel. Muss die Katze länger damit leben, kann das Folgeerscheinungen haben wie beispielsweise eine Schwächung des Immunsystems oder die Entwicklung von schweren Verhaltensstörungen wie Leckzwang.

Und wie beschäftige ich die Katze am besten?

Je abwechslungsreicher das Umfeld ist, desto weniger leidet die Katze unter den veränderten Haltungsbedingungen und desto weniger Probleme erwachsen daraus. Streicheleinheiten, Clickertraining, Fummelbretter, selten zugängliche Räume öffnen – das alles kann ihr das Leben drinnen erleichtern. Hin und wieder einen leeren Karton stehen lassen oder eine leere Papiertüte hinlegen regt zur Selbstbeschäftigung an. Einzelne Einrichtungsgegenstände können gelegentlich umgestellt werden, aber nicht zu häufig und auch nicht zu viele. Ungewohnte Geruchsquellen wie Baldrian und Sandelholz, eine Kiste Laub von draußen können angeboten werden. Tabu sind die handelsüblichen Raumdüfte. Und dann natürlich die Klassiker unter den Katzenspielen: Animierte Spiele wie Angelspiele, ein springender Tischtennisball und vieles mehr. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Und auch wenn Insekten in der Wohnung nicht jedermanns Sache sind: Sie beschäftigen die Sinne und befriedigen den Jagdtrieb einer Katze.

Das hört sich nach 24-Stunden-Job an.

Nein, grundsätzlich gilt: nicht zu viel des Guten auf einmal. Die Katze sollte nur dann beschäftigt werden, wenn sie Interesse daran zeigt und sich dadurch nicht belästigt fühlt. Sie permanent und ggf. gegen ihren Willen zu bespaßen erhöht den Stress eher.

Und wenn es mehrere Katzen eines Haushalts gleichzeitig trifft, die sich dann nicht vertragen: Wie sollten sich Besitzer in diesem Fall verhalten?

Dann ist es am besten, die Katzen zu trennen und jede einzeln in einem oder mehreren separaten Räumen unterzubringen. Wer einen Garten, eine Terrasse oder einen Balkon hat, kann dort vielleicht vorübergehend ein Katzengehege einrichten und die Katzen dort abwechselnd unterbringen.

Was mache ich, wenn meine Wohnung zu klein ist, um die Katze dauerhaft drinnen zu halten? Ist das nicht Tierquälerei?

Wenn Freilauf-Verbot besteht, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich daran zu halten und es der Katze durch situationsangepasste Management-Maßnahmen so leicht wie möglich zu machen.

Sie haben erwähnt, dass es zu Verhaltensstörungen kommen kann. Wie soll ein Katzenbesitzer darauf reagieren?

Das ist von der jeweiligen Katze und der Situation insgesamt abhängig. Oft reichen die schon geschilderten Maßnahmen. Wenn die Situation damit nicht geklärt werden kann, sollte eine kompetente Verhaltensberaterin oder ein Verhaltensberater hinzugezogen werden. Die Verhaltenstherapie kann bei Bedarf ganz gut von einer Tierheilpraktikerin oder einem Tierheilpraktiker mit naturheilkundlichen Maßnahmen ergänzt werden. In schweren, akuten Fällen ist eventuell eine schulmedikamentöse Intervention erforderlich.

Gibt es Störungen, die in solchen Situationen besonders häufig auftreten?

Häufig und besonders belastend für Besitzer ist Unsauberkeit. Wenn die Katze gewohnt ist, ihr Geschäft draußen zu verrichten, kann es sein, dass sie sich in dieser Stresssituation plötzlich weigert, eine Toilette mit handelsüblicher Katzenstreu zu benutzen. Blumenerde aus dem Gartenmarkt könnte dafür eine Lösung sein, vermischt mit Erde, Laub, Sand aus der Umgebung oder auch mit Sägespänen, je nach dem, was die Katze bevorzugt.

Lässt sich Problemen vorbeugen?

Am besten ist es, ein katzenfreundliches Umfeld zu schaffen, das auch ohne Freigang genügend Abwechslung bietet. Gezieltes Training ist möglich, indem man Freigänger-Katzen von Anfang an gelegentlich den Freigang verweigert. Dann ist ihnen die Situation vertraut. Es kann immer mal wieder vorkommen, dass die Katze für eine gewisse Zeit im Haus bleiben muss. Da ist es gut, wenn sie das kennt. Grundsätzlich sollten nicht mehr Katzen in einem Haushalt leben, als drinnen auch zusammen gehalten werden könnten.

autorin patricia loesche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche. In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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