Jagdverhalten von Hunden kontrollieren


Jagdverhalten von Hunden kontrollieren – otsphoto – stock.adobe.com

Hunde jagen. Das war und ist Teil ihrer Arbeit für den Menschen. Allerdings ist es heute nicht mehr überall und immer erwünscht. Manche Hunde in menschlicher Obhut zeigen nur wenig Interesse daran, auf Beutefang zu gehen. Andere dagegen so viel, dass es für ihre Halter zum Problem wird und damit auch zum Problem der Hunde.

Jagdverhalten ist ein hochkomplexes System verschiedener Verhaltensmuster, wie zum Beispiel Hetzen und Packen. Jedes Verhaltenselement für sich hat auch in anderen Kontexten Aufgaben, zusammengenommen wird daraus jedoch Jagdverhalten. Es gibt also kein “Jagd-Gen” oder keine Gruppe von Genen, die ausschließlich für das Jagdverhalten zuständig ist, die man wegzüchten könnte, um dann einen netten, nicht jagenden Hund zu erhalten.

Jagdverhalten kann in folgende Elemente aufgeteilt werden:

  • Appetenzverhalten (Orten/Auf der Suche sein)
  • Anschleichen
  • Fixieren/Vorstehen
  • Hetzen
  • Packen
  • Töten
  • Fressen

Jedes einzelne Element des Jagdverhaltens ist selbstbelohnend für einen Hund und wird darum gern gezeigt. Das ist Teil des Wolfserbes im Hund.

Jagen will gelernt sein

Bei einem jagdlich eingesetzten Hund gehört Jagdverhalten zum Job. Aber Hunde, die unkontrolliert jagen, stellen eine Gefahr für sich selbst und andere dar. Hunde, die nicht ansprechbar sind, sobald sie das Haus verlassen, entsprechen nicht den Erwartungen ihrer Halter.

Jagen ist genetisch verankert. Aber in welcher Qualität und Quantität Jagdverhalten gezeigt wird, darüber entscheidet nicht zuletzt die Umwelt: Die Erfahrungen, die der Hund macht, die Möglichkeiten, die er hat und seine Fähigkeiten zu lernen.

Jagen wird also zum Teil erlernt. Während die einzelnen Verhaltensweisen des Jagens durch bestimmte Reize getriggert werden können, wenn die Zeit reif ist, ist erfolgreiches Jagen abhängig von den Lernerfahrungen. Deshalb kann es auch modifiziert und genutzt werden.

Das Jagdverhalten eines Hundes ist veränderbar

Jagdverhalten kann nicht verboten oder komplett und ohne weitere Probleme unterdrückt werden. Es kann jedoch verändert und kontrolliert werden. Je früher man damit anfängt, desto besser. Im zweiten Lebenshalbjahr sind es diverse Schlüsselreize, die einzelne Sequenzen des Jagdverhaltens auslösen können. Man nennt dies auch angeborene Auslösemechanismen. Diese Mechanismen können durch Erfahrung modifiziert werden.


Vorstehen ist zur Wildanzeige bei einigen Rassen genetisch verankert (© Nadine Haase – stock.adobe.com)

Ein Hund, der beispielsweise von Beginn seines Lebens an problemlos mit Kaninchen zusammenlebt, kann im Alter von 6 Monaten plötzlich durch eine Bewegung, den Geruch oder auch einen Ton des Kaninchens getriggert werden, es zu packen und zu schütteln. Die eintretende hormonelle Belohnung dieses Verhaltens lässt ihn ab sofort gefährlich werden für die Kaninchen.

Gründe für unkontrolliertes Jagdverhalten können sein:

  • Nachahmungslernen in der Hundegruppe
  • Richtige Verstärkung durch den Halter
  • Langeweile des Hundes
  • Übersprungsverhalten

Die wichtigsten Grundlagen erfolgreichen Trainings – und somit auch des Antijagdtrainings sind:

  • Bedürfnisbefriedigung
  • Falsche Verstärkung durch den Halter
  • Der richtige Verstärker
  • Impulskontrolle

Bedürfnisbefriedigung des Hundes als Grundlage erfolgreichen Antijagdtrainings

Grundlage erfolgreichen Trainings mit dem Hund ist in erster Linie die Bedürfnisbefriedigung. Ein Hund, vor allem, wenn er einer Jagdgebrauchshunderasse angehört, braucht eine artgerechte Beschäftigung bzw. Arbeit. Diese muss für den Hund sinnvoll und befriedigend sein.

Die beste Arbeit ergibt sich oft aus der Rasse des Hundes. Aber nicht jeder Jagdhund braucht die Jagd auf Wild, nicht jeder Hütehund Schafe. Es gibt viele Möglichkeiten und Angebote, Hunde geistig und körperlich auszulasten. Ausgelastet werden muss er aber, sonst wird der Hund sich eigene Beschäftigungen suchen.

Daraus ergibt sich die Frage: Was genau soll der Hund in der jeweiligen Situation tun und welches Signal soll dieses Verhalten wie lange auslösen? Es ist weder hilfreich noch zielführend darüber nachzudenken, was der Hund NICHT tun soll. Kein Hund kann sich NICHT verhalten. Wird das eine Verhalten unterdrückt, wird ein anderes Verhalten gezeigt, welches im Zweifel ebenso unerwünscht ist oder noch schlechter kontrollierbar. Der Schritt, das erwünschte Verhalten zu definieren, ist daher essenziell beim Training.

Erst jetzt kann man darüber nachdenken, wie man dem Hund am besten das gewünschte Verhalten durch Training beibringen kann. Da es beim Jagdverhalten um ein Verhalten geht, welches stark selbstbelohnend ist, muss die gewünschte Verhaltensalternative ebenso hochwertig, wenn nicht hochwertiger sein.

Jagen ist stark selbstbelohnend. Warum?
Während des Jagens wird ein wahrer Hormoncocktail gemixt und im Hund freigesetzt. Dieser besteht aus drei Hauptzutaten: Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Diese bunte Mischung an chemischen Botenstoffen lässt den Hund innerhalb kürzester Zeit ein ganz besonderes Feeling verspüren, dem er kaum widerstehen kann.

Der richtige Verstärker beim Training mit dem Hund

Viele jagende Hunde wählen lieber das Hetzen oder Stöbern als Leberwurst und Co. Hier gibt es nur eine Möglichkeit, die interne Selbstbelohnung des Allein-Jagens zu toppen: durch gemeinsames Jagen. Genutzt wird, was der Hund gern macht und was der Mensch kontrollieren kann. Hunde sind soziale Tiere. Aus diesem Grund ist bei den meisten Hunden das gemeinsame Erleben stark selbstbelohnend. Verbindet man das mit Bestandteilen des Jagdverhaltens, die durch den Menschen kontrollierbar sind, hat man einen großartigen Verstärker, mit dem der Hund trainierbar ist.

Gemeinsam apportieren, eine Alternative zum Jagen (© Jari Hindström – stock.adobe.com)

Der Hund lernt also beispielsweise, dass er eine gefundene Spur anzeigt. Danach darf er gemeinsam mit seinem Menschen an der Leine einen Teil der Spur verfolgen. Will er die Spur allein ausarbeiten, hindert ihn die Leine (mit dem Menschen) daran. Diese Art und Weise des Hundetrainings lernt der Hund am besten in weniger hocherregenden Situationen.

Das, was der Hund in der jeweiligen Situation am liebsten haben oder tun will, ist der beste Verstärker für ein Verhalten, das trainiert werden soll. Beim Jagdverhalten kommt die Gemeinsamkeit noch hinzu. Beispiel für eine Lernsituation mit geringem Erregungslevel: Der Hund möchte an einem Baum schnuppern. Nachdem er seinen Menschen angeschaut hat, darf er gemeinsam mit diesem zum Baum und dort schnuppern.

Impulskontrolle im Hundetraining

Neben den Grundlagen des Lernens und der richtigen Beschäftigung besteht die Basis des Trainings mit jagenden Hunden auch aus dem Training von Impulskontrolle.

Sich zurückhalten zu können und nicht jedem Reiz unmittelbar nachzugeben, ist Grundlage jedes erfolgreichen Jagens. Es gibt dem Menschen außerdem Zeit zu reagieren. Impulskontrolle ist etwas, was jeder Hund, auch unabhängig vom Jagen, lernen muss und auch kann. Es beeinflusst unser gesamtes Zusammenleben mit dem Hund und zugleich seine Freiheiten.

Zur Impulskontrolle gehört nicht nur das „Abwarten“. Hierzu zählt auch, ein vom ersten Impuls abweichendes, erlerntes Verhalten zu zeigen oder sich in aufregenden Situationen wieder abregen zu können.

Antijagdtraining

Sitzen die zuvor genannten Grundlagen im Alltag, sind es die folgenden vier Säulen, die sich explizit mit dem Jagdverhalten beschäftigen:

  • Schleppleine
  • Orientierung
  • Kontrolle am Wild
  • Entspannung

Die Schleppleine im Antijagdtraining

Die Leine als Managementhilfsmittel dient dazu, den Hund manuell unter Kontrolle zu haben. Sie ermöglicht es, Verhalten auf Entfernung zu trainieren und Risiken einzugehen. Außerdem lernt der Hund mit Hilfe der Schleppleine, einen Radius einzuhalten. Wichtig beim Training mit der Schleppleine ist, dass diese möglichst immer so genutzt wird, als wäre sie nicht da. Das Ziel soll sein, den Hund später ohne Leine kontrollieren zu können. Je mehr Signale der Hund über die Leine bekommt und je stärker er verknüpft, dass es nur die Leine ist, die ihn am Wegkommen hindert, desto schwerer ist es, sie nachher wieder loszuwerden. Als Trainingshilfsmittel wird sie daher gezielt und bewusst eingesetzt. Wird nicht trainiert, kommt die Schleppleine in die Tasche.

Die Schleppleine – richtig verwendet ein wichtiges Instrument des Antijagdtrainings (© DoraZett – stock.adobe.com)

Orientierung im Antijagdtraining

Viele Hunde haben nie gelernt darauf zu achten, wo ihre Menschen sind. Da sie ständig an der Leine sind und über diese ihre Signale erhalten, können sie sich vollständig nach außen auf die Umwelt konzentrieren. Das bewirkt, dass sie oft tief in ihrer eigenen “jagenden” Welt versunken sind. Dort reagieren sie auf jagdliche Reize schneller und heftiger. Ist ein Teil ihres Bewusstseins damit beschäftigt, auf ihren Menschen zu achten, ist die Ablenkung geringer.

Zur Orientierung gehören freiwilliger und signalverknüpfter Blickkontakt, die Suche nach dem Menschen und das Folgen in unbekannten Gegenden. Die Beschäftigung mit dem Hund in Form von Hundesport oder ähnlichem steigert die Wichtigkeit des Menschen als Sozialpartner ebenfalls enorm. Auch der tägliche Umgang mit dem Hund als Vertrauensperson, Sicherheitsfaktor und Bindungspartner spielen hier eine Rolle.

Kontrolle am Wild beim Training mit dem Hund

Die Kontrolle am Wild – daran denken die meisten Hundehalter als erstes, wenn es um Antijagdtraining geht. Aber sie ist nur eine Säule von vieren. Zu beachten ist hier, die richtige Verstärkung zu wählen und das Training in kleinen Schritten erfolgen zu lassen. Zuerst in einfachen Situationen, dann stetig schwieriger werdend. Das braucht Vorbereitung und Zeit. Ein Hund, der sich von der Leberwursttube nicht abrufen lässt, wird erst recht nicht aus dem Hetzen abrufbar sein. Ein guter Trainingsplan ist hierfür eine große Hilfe.

Zur Kontrolle am Wild gehören neben dem perfekten Abruf auch das Anzeigen von jagdlichen Reizen wie beispielsweise einer Spur oder einem Reh im Feld. Manchen Rassen ist die Anzeige genetisch in die Wiege gelegt, andere müssen es in kleinen Schritten lernen. Für viele Hunde jedoch ist es einfacher, wenigstens stehend schauen zu dürfen, als sich abzuwenden. Andere Hunde werden besser abgerufen oder schaffen es, sitzend oder liegend den Reiz auszuhalten.

Der perfekte Rückruf im Wald. Der Hund kommt freudig und schnell zum Besitzer (© tmart_foto – stock.adobe.com)

Entspannung – schwierigster Faktor beim Antijagdtraining

Der Faktor, der im Training die größten Schwierigkeiten bereitet, ist die Erregungslage. Sie bewirkt, dass Hunger, Durst und Schmerzgefühle herabgesetzt sind, die Konzentration eingeschränkt und die kognitive Leistung verringert wird. Das vegetative Nervensystem übernimmt die Kontrolle und willkürliche autonome Reaktionen erschweren das Nachdenken in der jeweiligen Situation. Aus diesem Grund ist gezieltes Entspannungstraining ein wichtiger Pfeiler des Trainings mit jagenden Hunden.

Hierzu gehört ein konditioniertes Entspannungssignal. Im weiteren Sinne zählt auch die Gewöhnung an Auslösereize dazu. Das kann durch Entspannungspausen im Tierpark geschehen (falls der Hund dort auf die Reize reagiert) oder etwa durch Entspannungsspaziergänge im Wald. Die Entspannung wird ebenfalls zunächst in weniger aufregenden Situationen erlernt, bevor sie im Wald vor dem Reh auch nur möglich scheint. Je häufiger Reize in entspanntem Zustand wahrgenommen werden, desto eher ist eine Gewöhnung möglich. Trifft man nur einmal im Monat ein fliehendes Reh, wird es schwieriger mit Gewöhnung und Entspannung bei Rehgeruch.

Jagen und Nichtjagen – zwei Seiten einer Medaille

Letztendlich unterscheidet sich die Arbeit mit jagenden Hunden, die nicht jagen sollen, kaum von der Arbeit mit Hunden, die eine jagdliche Aufgabe zu erfüllen haben. Schritt für Schritt muss das Verhalten des Hundes unter Anwendung der Lerngesetze mit Geduld verändert werden. Immer so, dass Mensch und Hund gern miteinander arbeiten und zusammenleben können.

Und nicht zuletzt muss der Mensch ein Stück auf seinen vierbeinigen Gefährten zugehen und bis zu einem gewissen Grad akzeptieren und respektieren, was dieser mitbringt. Wenn diese Toleranz gepaart mit dem Respekt für das Lebewesen auf geduldiges und technisch gutes Training trifft, steht dem Zusammenleben eines Dream-Teams kaum noch etwas im Wege. Und oft genug erkennt man dann, dass der Weg das eigentliche Ziel ist: Das Miteinander und der Umgang haben sich zum Positiven verändert und alle Beteiligten sind reicher an Lebenserfahrungen geworden.

Hundetrainer Ausbildung ATN - zu den Lehrgangsdetails

Ariane Ullrich

Ariane Ullrich ist Verhaltensbiologin, Hundetrainerin, Referentin und Buchautorin. Zusammen mit Pia Gröning ist ihr Buch „Antijagdtraining“ seit über 15 Jahren erfolgreich. Sie bildet HundetrainerInnen aus und prüft diese für die IHK. Sie schreibt Artikel für Zeitschriften und Magazine und verlegt Bücher. Mit ihrem Online-Hundekongress veranstaltet sie jährlich das größte Online-Hundeevent im deutschsprachigen Raum.

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