Roll-Leine: Warum Hundetrainer dazu nein sagen 

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Rollleine: Warum Hundetrainer sie ablehnen © Karoline Thalhofer/AdobeStock

Roll-Leinen (nach dem Marktführer oft auch als “Flexileine” bezeichnet) scheinen gut für den Hund zu sein. Mehr freie Bewegung für ihn als an der normalen Hundeleine. Dafür weniger Bandsalat als bei einer Schleppleine vergleichbarer Länge. Alles super! Alles super? Die meisten Hundetrainer raten davon ab, und sie haben gute Gründe dafür. 

„Flexileine“ oder Roll-Leine? 

Wir verwenden in diesem Artikel den Begriff Roll-Leine anstelle der umgangssprachlich verwendeten Bezeichnung „Flexileine“ oder „Flexleine“. Nicht, weil er uns besser gefällt, sondern weil Flexi eine geschützte Markenbezeichnung ist.

Grund 1: Verletzungsgefahr 

Das Verhalten von Hunden, die an einer Roll-Leine in fröhlichem Hin und Her die Welt erkunden, ist oft schlecht einzuschätzen. Hundeunerfahrene Mitmenschen oder solche mit Angst vor Hunden tun sich damit besonders schwer. Wird er nach rechts laufen? Oder doch nach links? Wie kann ich ihm ausweichen? 

Besonders gefährlich kann die Roll-Leine Fahrradfahrern werden, wenn sie die Situation falsch einschätzen. Vor allem bei ungünstigen Lichtverhältnissen und aus größerer Entfernung ist zwar der Hund, nicht aber die Leine erkennbar. Der vermeintlich freilaufende Hund entpuppt sich erst als angeleint, wenn es zu spät ist und der Radler die quer über den Fahrradweg laufende Leine im Flug überquert. Verfangen sich Menschen oder andere Hunde in der Rolleine, dann kann es vor allem bei solchen aus dünner Schnur zu erheblichen Verletzungen kommen, weil die Schnur wie ein Messer ins Fleisch schneidet.  

Lediglich bei alten Hunden, die sich sehr gemütlich bewegen, kann die Roll-Leine unter Umständen als Alternative für mehr Bewegungsfreiheit in Frage kommen. Hier ist zumindest die Verletzungsgefahr für andere kaum gegeben, weil der Hund sich vorhersehbarer verhält. Allerdings gibt es auch keinen Grund, der in diesen Fällen gegen die Verwendung einer Schleppleine spricht.

Hundebegegnungen an der Roll-Leine können in einer Katastrophe enden. Verheddern sich nicht kurz arretierte Leinen, wenn die Hunde aggressiv aufeinander reagieren oder zu spielen anfangen, können sie sich um Hals und Gliedmaßen wickeln. Dabei kommt es immer wieder zu schweren Verletzungen bis hin zu Amputationen, verursacht durch das dünne Seil. Die Hunde können durch den Stress zusätzlich verstärkt aggressiv reagieren. Gegen den anderen Hund, aber auch in Form umgerichteter Aggression gegen die Menschen, die ihre Hunde befreien wollen. Verstärkt wird es noch, wenn das Gehäuse aus der Hand gerissen wird und über den Boden klappert.

Roll-Leine: Verletzungsgefahr bei Hundebegegnungen
Größere Verletzungsgefahr bei Hundebegnungen an der Roll-Leine © Anna Jurkovska/AdobeStock

Grund 2: Roll-Leinen behindern die Kommunikation

Kernstück der Roll-Leine ist das Kunststoffgehäuse. Der Halter führt den Hund nicht an der Leine, sondern er hält lediglich den Griff ihres Gehäuses fest. Zwar kann er den Hund dadurch am Weglaufen hindern, aber nicht führen. Führung braucht Fühlung. Wer seinen Hund direkt an der Leine führt merkt, wann diese sich lockert und strafft. Er kann mit ihm über die Leine kommunizieren und ein direktes Feedback geben. Nicht so bei der Roll-Leine. Der Kunststoffgriff ist starr und gibt keinerlei Rückmeldung über das Geschehen am anderen Ende, Mensch und Hund können nicht über eine direkte Verbindung miteinander „sprechen“. 

So funktionieren Roll-Leinen

In einem Kunststoffgehäuse befindet sich ein längeres, aufgerolltes Seil, seltener ein breiteres Band, das am Ende ins Hundegeschirr oder -halsband eingehakt wird. Am Kunststoffgehäuse befindet sich ein Handgriff. Zieht der Hund, sorgt ein Federmechanismus dafür, dass die Leine, die bis zum Ende herausgezogen werden kann, nie durchhängt. Soll der Bewegungsradius eingeschränkt werden, lässt sich die Leine über einen Knopf in der gewünschten Länge arretieren. Durch zunehmende Verschmutzung kann dieser Mechanismus allerdings beschädigt werden und seine Funktion verlieren.

Grund 3: Roll-Leinen verhindern Leinenführigkeit

Jeder träumt von einem Hund, der an lockerer Leine in jeder Situation neben einem hertrabt und sein Tempo dem Tempo seines Menschen anpasst. So sieht es aus, das perfekte Hund-Mensch-Dreamteam. In der Praxis bietet sich dagegen oft ein anderes Bild. Der Hund zieht, der Mensch folgt. Der Hund lernt: Wenn ich ziehe, dann geht es voran. Eigentlich soll er aber lernen: Wenn die Leine locker ist, dann gehen wir gemeinsam unseren Weg. Kein Ziehen nach vorn, kein Rucken nach hinten.

Dazu muss Leinenführigkeit dem Hund durch gezieltes Training in kleinen Schritten als positiv und angenehm vermittelt werden, was bei dem einen Hund schneller geht, beim anderen länger dauert und schon mal einiges an Nerven und Geduld braucht. Unser Lohn: Ein freudig neben uns an lockerer Leine laufender Hund. Die Leine als Verbindung zum Tier, nicht als Werkzeug, den Hund am Weglaufen zu hindern (Perspektive Mensch). Nicht das lästige Ding, das den Erkundungsdrang verhindert (Perspektive Hund).

Das Prinzip der Roll-Leine widerspricht dem, denn ihr Prinzip ist, dass die Leine immer gespannt und ordentlich im Gehäuse aufgerollt ist. Der so geführte Hund lernt: Wenn ich ziehe, dann geht es, wohin ich möchte. Mehr noch: Je länger er zieht, desto mehr Freiraum bekommt er. Das Ziehen führt zum Erfolg, es wird aus Hundesicht positiv verstärkt und belohnt dadurch ein Verhalten, das wir nicht wollen. 

Nice to know: Positive und negative Verhaltensverstärkungen

Positive Verstärkung (Leckerli, Streicheln oder andere Dinge, die der Hund mag) wird im Training genutzt, um gewünschtes Verhalten zu trainieren (zu verstärken). Dazu wird der Hund sofort belohnt, wenn er dieses Verhalten zeigt. „Positiv“ heißt es deswegen, weil etwas Angenehmes hinzugefügt wird. Bei der negativen Verstärkung wird etwas Unangenehmes weggenommen, sobald das gewünschte Verhalten gezeigt wird. Zum Beispiel Leinendruck, sobald die Leine locker wird. „Negativ“ heißt es, weil etwas entfernt wird, nicht etwa, weil etwas Negatives verstärkt wird.

Normale Hundeleine ist besser als Roll-Leine
Eine normale Hundeleine ist einer Roll-Leine vorzuziehen © Javier Brosch/AdobeStock

Grund 4: Der harte Stopp am Ende der Roll-Leine

Am Ende der Leine kommt bei schnellerer Bewegung ein Ruck, dann geht es nicht mehr weiter. Dieser Ruck kommt für den Hund ohne Vorwarnung und ist in jedem Fall ein harter Stopp, kein weiches Anhalten, wie wir es mit der normalen Leine in einem solchen Fall vermitteln könnten. Wir können den Hund auch nicht durch ein Signal darauf vorbereiten, denn als Leinenführer wissen wir selbst nicht genau, wann dieser Stopp kommt. Im Zweifelsfall zu früh, weil wir versehentlich die Arretierung betätigen, weil der Mechanismus hakt oder der Hund plötzlich lossprintet.

Es passiert auch dann, wenn zwischendrin der Feststellknopf der Roll-Leine benutzt wird, um den Hund in einer Situation schnell im Bewegungsradius einzuschränken. Hund und Mensch kann es dabei regelrecht von Füßen und Pfoten reißen. So ein harter Stopp kann zudem zu erheblichen Verletzungen an Kehlkopf, Wirbelsäule, Speise- und Luftröhre führen.

Im Hundegehirn kommen also zwei Dinge an: Wenn ich ziehe, wird die Leine länger und es geht voran, wohin ich will. Das wirkt als positive Verstärkung für das Ziehen. Und: Ich habe keine Kontrolle über die unvermittelt auftretenden Schmerzen durch den Ruck. Für den Hund ist es eine Form der anonymen Bestrafung. Lernen kann er dadurch nichts. Am wenigsten Leinenführigkeit.

Die Roll-Leine vermittelt unserem Hund eine Art von Leinenführigkeit, die dem gewünschten Ziel entgegenwirkt. So kann unser Hund die lockere Leinenführigkeit nicht verstehen. Selbst wenn daran parallel mit einer anderen Leine gearbeitet wird, können Trainingserfolge durch die Verwendung einer Roll-Leine zunichte gemacht oder zumindest unnötig erschwert werden. Bei Angsthunden kommt noch hinzu, dass die geräuschvolle Arretierung zum Angstauslöser werden kann.

Schleppleine statt Roll-Leine
Vorteil der Schleppleine: Führen statt Festhalten © DoraZett/AdobeStock

Fazit

In dem meisten Fällen ist die Verwendung einer Roll-Leine negativ zu bewerten. Dafür gibt es vier gute Gründe:

  • erhöhte Verletzungsgefahr
  • behinderte Kommunikation zwischen Hund und Halter
  • keine Vermittlung von korrekter Leinenführigkeit
  • unvermittelter harter Stopp am Ende der Leine

Besser ist die Verwendung einer Schleppleine. Sie erlaubt ebenfalls einen erweiterten Bewegungsradius, kann aber weicher und direkter geführt werden, und die Kommunikation wird nicht behindert. Gleichzeitig ist das Verhalten des Hundes für andere besser einzuschätzen. Nachteil gegenüber kürzeren Leinen ist, dass sie durch Bodenberührung leicht schmutzig wird, was als unangenehm empfunden werden kann. Und der richtige Umgang damit will gelernt und geübt werden.

Da Schleppleinen in ihrer Länge ständig durch händisches Auf- und Abrollen angepasst werden müssen, hat der Leinenführer seinen Hund auch durchgehend im Fokus. Nebeneffekt: Die Nutzung des Handys, die immer dazu führt, dass die Aufmerksamkeit vom Hund abgelenkt wird, ist bei Verwendung einer Schleppleine schwierig. Das ist gut so, denn nur wenn die Aufmerksamkeit beim Hund ist, lässt er sich, wenn nötig, angemessen kontrollieren.

Zu bevorzugen sind Schleppleinen aus flachem Gurtmaterial oder dickerem Seil. Denn auch hier gilt: Dünne Seile können schwere Verletzungen verursachen. Verbrennungen um Beispiel beim schnellen Hindurchgleiten durch die Hand. Oder aber, wenn sie sich versehentlich um Arm oder Bein von Mensch oder Hund wickeln.

Richtige Leinenführigkeit ist eine Sache des guten Trainings, das – wenn möglich – im Welpenalter beginnt. Am besten mithilfe eines positiv arbeitenden Hundetrainers oder indem man selbst eine Ausbildung macht, die einem Hundeverhalten genau erklärt, wie das im Lehrgang Hundewissenschaften an der ATN der Fall ist.

Quelle

ATN Hundetrainer-Ausbildung

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